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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff
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überhaupt zu billigen wäre. Niemand läßt sich gern, wie man zu sagen pflegt, in die Karten gucken. Und nun sollte jeder Mensch plötzlich mit seinen innersten Regungen und Gefühlen wie ein offenes Buch zu betrachten sein? ...«
    Ein anderes Blatt äußerte sich folgendermaßen:
    »... Die praktische Bedeutung dieser Erfindung ist schon erwiesen. Wie uns gemeldet wird, sind die erstaunlichen Erfolge der Polizei während der letzten Tage auf sie zurückzuführen. Man kann jetzt die Gedanken der Verbrecher belauschen, und da sie sich, wie das natürlich ist, immer wieder mit ihren früheren Taten beschäftigen, kommen auf diese Weise auch viele Dinge ans Tageslicht, die sonst in diesen Menschen verschlossen geblieben wären. Es ist nun auch weiterhin mit der Aufklärung zahlloser Taten zu rechnen, die ohne diese geniale Erfindung niemals aufgeklärt werden könnten – abgesehen davon, daß man viele Verbrechen verhindern wird, die erst ausgeführt werden sollten ...«
    »... Für die Medizin«, schrieb ein drittes Blatt, »dürfte diese Erfindung unschätzbar sein, namentlich wenn es sich um nervöse Erkrankungen und Irrsinn handelt. Man darf auf diesem Gebiet überraschende Aufklärungen und ein völlig neues Heilverfahren erwarten ...«
    »Nun«, jubelte eine Abendzeitung, »werden wir auch der Geheimdiplomatie hinter die Schliche kommen. Man wird uns nicht mehr hinters Licht führen können, denn wir haben den Scheinwerfer jetzt in der Hand, mit dem wir alles ausleuchten und aus dem obskursten Dunkel hervorzerren können. Man braucht sich nicht mehr belügen zu lassen; man weiß jetzt, woran, man ist ...«
    Dann wiederum eine Stimme, die fluchte und zeterte. »Wir sind der Meinung, daß diese Erfindung des Teufels ist. Sie bedeutet einen Eingriff in die heiligsten Menschenrechte. Wir fordern, daß sie verboten wird. Alle derartigen Apparate, soweit sie bereits bestehen, sind zu vernichten. Die Erfinder müßten wegen ›Hausfriedensbruch, an der Menschheit begangen‹, aufgeknüpft werden.«
    Milder und weniger absprechend drückte sich eine andere Zeitung aus. »Die Erfindung ist unbedingt unter staatliche Aufsicht zu stellen!«
    Jim Hopkins, Berichterstatter des ›Abendblattes‹, ein Mann, der immer als erster dabei war, der überall vorkam und sich nirgends abspeisen ließ, berichtete über seine Eindrücke folgendermaßen:
    »Es ist ein großes Erlebnis; ein ganz großes sogar. Vor mir stehen die Brüder Taft, zwei kräftige Burschen mit sympathischen Zügen, einer dem anderen aus dem Gesicht geschnitten. Intelligente Hochstirn mit Denkerfalten. Klare Augen mit einem fest zupackenden Blick. Arbeiterhände, schwielig, und doch mit Fingerspitzengefühl. Zwillinge, gleichgeschaltet. Im Wesen so, wie im Aussehen. Und gleichgeschaltet mit anderen Menschenhirnen.
    Ihr genialer Empfänger steht vor uns auf dem Tisch. Man hält ihn, oberflächlich betrachtet, für einen Radioapparat. Technische Einzelheiten: hauchdünne Röhren, ein Spinnengewebe von feinsten Drähten. Eine kleine Vakuumkapsel, die ein Geheimnis umhüllt, das bald, durch sich selbst, kein Geheimnis mehr sein kann. Glühende Fäden. Verstärker für Mikrowellenempfang. Schwingungsskalen; leuchtende Zifferblätter. Zeichen und Zahlen, die keiner versteht.
    Wir legen Kontakte an. In unseren Schläfen beginnt es zu zucken. Ein eigentümlicher Zustand. Nur einen Augenblick lang. Es ist der Schauer vor etwas Unbekanntem. Was wird es geben? Wie wird es sein?
    Plötzlich beginnen unsere Gedanken zu arbeiten. Unsere? Nein – es sind fremde Gedanken. Gefühle. Vorstellungen. Ein sonderbares Gewebe. Es ist so, als schwebe etwas durch uns hindurch. Wir vernehmen es, suchen es aufzunehmen, nehmen es auf. Horchen in uns, nein, in die andere Seele hinein. Ein Wunder! So empfangen wir plötzlich fremde Gedanken. Wir sind auf mystische Weise verbunden. Mit wem?
    Ein anderer spielt auf der Klaviatur unseres Hirns.
    Was wir belauscht haben? – Sehr belanglos. Ein Kellner im Imperial-Hotel wird von einem Gast zur Rede gestellt. Er müsse sich wohl verrechnet haben. Entschuldigen Sie, sagt der Kellner, das kann wohl mal vorkommen. Bitte – hier haben Sie die drei Dollar zurück! – Auf den Kellner war eingestellt. Trotzdem erfuhr man auch, was der andere sagte; denn dessen Worte mußten ja von dem Kellner ebenfalls gedanklich erfaßt und verarbeitet werden. So hören wir alles, auch Zwiegespräche. Wir betasten Menschen und ihre Beziehungen zu anderen

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