Die gläserne Welt
belauschen kann. Daran haben Sie wohl gar nicht gedacht? Schließlich gibt es doch auf Grund Ihrer Erfindung keine Geheimnisse mehr!«
Die Brüder blickten bei dieser Erklärung einander betreten an. Wirklich – daran hatten sie nicht gedacht! Der Präsident mochte nicht Unrecht haben.
»Sehen Sie«, meinte Glifford, »damit werden Sie wohl auch vielfach auf den stärksten Widerstand stoßen. Man wird Sie anfeinden, wird Sie verfluchen, glauben Sie mir. Ich selber muß Ihnen offen gestehen, daß das Bewußtsein, von fremden Menschen belauscht zu werden, für mich etwas höchst Peinliches an sich hat – ja, Ihnen selber müßte es peinlich sein. – Aber bleiben wir bei der praktischen Möglichkeit. Für die Polizei, für die öffentliche Sicherheit ist Ihre Erfindung ohne Zweifel unschätzbar. Ferner für Ärzte, für Wissenschaftler – ich werde zusehen, was sich da machen läßt. Wenn Sie sich gar entschließen könnten, mir Ihre Vertretung vor der Öffentlichkeit, ja, dem Parlament gegenüber anzuvertrauen, so würde ich mich sofort in positivem Sinne für Sie verwenden.«
»Ich gebe zu«, erwiderte George, »daß wir nicht einmal wußten, an wen wir uns zunächst wenden sollten, gerade mit dieser Sache, die so ganz außerhalb jedes gewöhnlichen Rahmens steht. Wenn Sie die Liebenswürdigkeit hätten, Herr Präsident, unsere Angelegenheit in die Hand zu nehmen – ich glaube, wir könnten Ihnen nur dankbar sein.«
Wilbur bestätigte diese Worte des Bruders durch ein lebhaftes Kopfnicken.
»Eines freilich muß ich mir ausbitten«, sagte der Präsident, »daß Sie, ohne eine bestimmte Entscheidung von meiner Seite, keiner Privatperson einen von Ihren Apparaten aushändigen, ja, daß Sie auch sonst nicht die Benutzung anderen zugänglich machen, sofern es sich nicht um Versuche handelt, die Sie mit gutem Gewissen verantworten können. – Übrigens hörte ich durch den Inspektor, daß Sie leider noch nicht in der Lage sind, Ihren Apparat auf bestimmte Personen zu richten?«
»Aber wir können neuerdings schon die Schwingungen von Personen, die sich uns zur Verfügung stellen, ermitteln«, erklärte George und fügte seinen Worten eine Erläuterung bei.
Der Präsident horchte auf. »Wie?« rief er, »also würde ich in der Lage sein, die Schwingungsgrößen aller im Polizeigewahrsam befindlichen Leute feststellen und sie belauschen zu lassen?«
»Jawohl. Das geht ohne weiteres.«
»Bravo! Das gibt ja eine Revolution bei der Verbrecherbekämpfung. Den Apparat, den Sie Gruth zur Verfügung stellten, erwerbe ich selbstverständlich gleich für die Polizei. Wie hoch ist der Preis? Dreitausend Dollar würde ich gutwillig zahlen.«
Diesen Preis hatten die Brüder kaum zu erzielen gehofft. Nach kurzem Bedenken sagten sie zu.
»Und Sonntag abend«, fuhr der Präsident freundlich fort, »bitte ich Sie, meine Gäste zu sein. Dann werde ich Ihnen schon mehr sagen können.«
Nun kam die Sache an die Öffentlichkeit. Die Presse witterte, ja, sie hatte bereits ihre Sensation. Ein Apparat, mit dem man die Gedanken anderer Menschen ablesen konnte! Das war unerhört! Nicht zu glauben! Bei vielen Menschen löste die Nachricht Bewunderung aus, andere wieder versetzte sie in die größte Bestürzung. Man war begeistert; man war entrüstet, – die Meinungen teilten sich, stießen hart aufeinander. Alle waren dagegen, die kein gutes Gewissen hatten.
Die Brüder Taft wurden von einem Reporterschwarm überlaufen. Sie konnten sich nicht mehr retten. Tafts stellten die Klingel ab; Frau Lehman wurde beauftragt, sie zu verleugnen. Aber auch das nützte nichts. Gewitzte Leute drangen trotzdem in ihr Allerheiligstes vor. Fotografen kamen, um Bilder zu machen; der Rundfunk meldete sich, rauschte sofort mit dem Aufnahmewagen heran. Es war eine Sensation, – die wollte sich keiner entgehen lassen.
Die Presse feierte Blockschriftorgien. In größter Aufmachung war die Nachricht überall auf der ersten Seite herausgestellt. Ein Mittagsblatt wartete als erstes mit der sensationellen Meldung auf.
»Zwei Radioingenieuren, dem Zwillingsbrüderpaar Wilbur und George Taft, ist die Konstruktion eines Apparates gelungen, mit Hilfe dessen man sich in die Gedankenbahnen dritter Personen einschalten kann. Niemand wird die immense Bedeutung dieser Erfindung verkennen, deren Tragweite alles bisher Gewesene in den Schatten stellt. Es gibt jetzt keine Geheimnisse mehr! Nicht einmal mehr in Gedanken. Doch man fragt sich sogleich, ob so etwas
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