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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff
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Menschen.
    Man wird sich gegen diese Erfindung sträuben. Zu Unrecht. Ich brauche mich nicht zu schämen, belauscht zu werden. Meine Weste ist rein. Meine Gedanken sind einwandfrei, auch meine Liebesgedanken. Sie unterscheiden sich nicht von denen anderer Leute. Ich sage dieser Erfindung eine große Zukunft voraus. Die Welt wird sauberer werden. Die Lüge wird sterben ...«
    Trotzdem sah Hopkins noch nicht voraus, welche enormen Ausmaße diese Erfindung annehmen sollte ...
     
    Gloria saß mit der Tante am Frühstückstisch, als vom Diener die Morgenzeitung gebracht wurde.
    »Ach – schau mal an!« rief Mrs. Kennedy auf einmal mit einem verkniffenen Lächeln nach einem Blick in die Zeitung und stieß im Eifer fast ihre Kakaotasse um, »der junge Mensch, der neulich hier war und mich vor Orville gewarnt hat – hier ist er abgebildet! – Ja, was? Ein neuer Apparat? Geniale Erfindung? Ablauschen von Gedanken? Blödsinn!«
    »Nein, Tante«, eiferte Gloria, nun gleichfalls das Bild der Brüder betrachtend, »kein Blödsinn. Ich wußte davon – aber ich durfte dir ja nichts sagen. Es war noch geheim.«
    »Noch geheim?« knurrte die alte Dame, »und trotzdem hast du davon gewußt?«
    »Die Brüder hatten mich ins Vertrauen gezogen. Und denke dir, dabei habe ich die Gedanken Orvilles belauscht.«
    Nun war Mrs. Kennedy doch gespannt. »Was? Wie? Belauscht? Du? Orvilles Gedanken? Ah – dadurch wohl kam dieser junge Mann auch dahinter! Natürlich. Ich habe an seine Telepathie ohnedies nicht geglaubt.«
    »Aber an diese Erfindung glaubst du?«
    Mrs. Kennedy schaute einen Augenblick sinnend an ihrer Nichte vorbei. »Ich habe im Laufe meines bewegten Lebens manches glauben gelernt, liebes Kind, was man früher niemals für möglich gehalten hätte. Doch nun – ja – nun gibt es doch keine Geheimnisse mehr, wenn das wahr ist? Was hat denn übrigens Orville gedacht?«
    Gloria legte ihre schneeweiße Hand mit sanftem Druck auf den Arm der Tante. »Jetzt darf ich es dir ja verraten. Er hatte dich tatsächlich umbringen wollen. Er hat auch noch Schulden, von denen er uns nichts verriet, da er glaubte, durch seine Erbschaft alles regeln zu können. Jetzt ist er bereits auf dem Weg nach Brasilien.«
    Mrs. Kennedy zuckte zusammen, als habe man ihr einen Schlag versetzt. »Also wollte er wirklich –?« Sie wagte es nicht mehr auszusprechen.
    Gloria nickte. »Ja, wirklich. Und dann noch – du weißt ja, Tante, wie er mir immer den Hof machte, dir gegenüber hat er sogar einmal andeutungsweise von seiner großen Liebe zu mir gesprochen. Das war alles Lug und Trug, alles Falschheit. Er liebt eine andere. Ellen heißt sie.«
    Die Tante maß ihre Nichte mit einem besorgten, fragenden Blick. »Das hat dir wohl einen Stoß gegeben, nicht wahr, mein Kind?«
    »Es hat mich wirklich erschüttert«, erwiderte Gloria, »obwohl ich mir über meine Gefühle ihm gegenüber nie ganz im klaren gewesen bin.«
    »Gott sei Dank«, seufzte Mrs. Kennedy, »Gott sei Dank hat es bei dir noch nicht tiefer gesessen. Du wirst darüber hinwegkommen, denke ich. Oh – der Schuft! – Aber nun will ich doch einmal sehen, was hier über diese Erfindung geschrieben steht. Das wäre ja tatsächlich etwas Umwälzendes!«
    So alt sie auch war – Mrs. Kennedy zeigte sich immer noch für fortschrittliche Dinge empfänglich. Diese Neuheit interessierte sie um so mehr, als ihr einer der beiden Erfinder bereits persönlich bekannt war. Glorias Besuche bei Tafts waren mit ihrem Einverständnis geschehen.
    Auch Gloria las die Schilderungen der Zeitung mit großem Interesse. Dann beauftragte sie einen Diener der Tante, ihr heute sämtliche Zeitungen zu besorgen, die er auftreiben konnte. Sie wollte alle Artikel lesen. Merkwürdig – dachte sie – daß die beiden nun ihre Sache doch schon vor die Öffentlichkeit gebracht haben! Vielleicht ist es durch eine Indiskretion geschehen. Jedenfalls nicht durch mich; ich bin schuldlos. Kein Wort ist über meine Lippen gekommen. Immerhin darf ich stolz darauf sein, als erste von dieser Erfindung gewußt zu haben; als erster Mensch – außer den beiden Erfindern selbst – durfte ich den Apparat ausprobieren. Merkwürdig, wie die Brüder mir gleich ihr Vertrauen schenkten! Dabei war ich ihnen doch eigentlich zunächst noch ganz fremd. Ich glaube, sie haben sich beide in mich verliebt. Und ich? Bin ich nicht unwillkürlich zusammengefahren, als ich George zum erstenmal sah – und bei seinem Bruder Wilbur noch mehr! Ich konnte

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