Die gläserne Welt
Möglichkeit ist doch da. Und wieso übrigens, ja, wieso maßt sich gerade die amerikanische Regierung an, mich in meiner Handlungsfreiheit so zu beschränken? In dieser Beziehung wurde doch gar kein Verbot ausgesprochen. Es wurde stillschweigend vorausgesetzt, daß die Vereinigten Staaten das Monopol haben sollten. Nichts derartiges aber wurde festgelegt. Ich erhebe Anspruch auf die freie Verfügung über das, was ich geschaffen habe. So vernünftig bin ich indessen auch, daß ich eine Kontrolle von Staats wegen anerkenne, in jedem Staat. Sonst könnte doch zuviel Unfug getrieben werden. Aber es liegt auch ein großer Nutzen – Wilbur würde es Segen nennen – darin! Das ist zweifellos. Dies scheint mir schon dadurch erwiesen zu sein, daß, wie die Zeitungen melden, die Kriminalität in den Staaten rapid zurückgeht ...
George beschäftigte sich vielfach mit solchen Betrachtungen. Es war nicht immer verworrenes und unvernünftiges Zeug, was er dachte. Er sprach sich auf sophistische Weise von jeder Verräterei frei. Glifford, der ihn gerade belauschte, gab ihm sogar in einigen Punkten recht. Man hatte verabsäumt, das Staatsmonopol vertraglich festzulegen. Formell hatte George eigentlich gar nicht Unrecht getan.
Aber vorerst herrschte immer noch sehr viel Starrsinn und Eigennutz in der Welt. Jeder Staat, jeder einzelne wollte alles, was Macht verhieß, rücksichtslos für sich selbst behaupten. Es würde noch lange dauern, bis dieser Traum ausgeträumt war. Gerade hier erlebte man immer wieder, wie Macht noch vor Recht ging. Die Geldmacht des englischen Staates hatte sein Recht gebeugt, hatte ihn, wenigstens zeitweise, seiner Freiheit beraubt. Er war ein Gefangener. Wenn er sich zur Erholung draußen im Park erging, stieß er überall auf Bewachung. An beiden Eingangstoren standen Posten der Geheimpolizei. Am Schloßeingang gleichermaßen. Er mußte sich auf Schritt und Tritt beobachtet fühlen. Wer kam und ging, wurde jedesmal auf Herz und Nieren geprüft. Selbst seine Mitarbeiter durften das Schloß nicht verlassen.
Im Laboratorium wurden unaufhörlich Versuche gemacht. Es half nichts: sämtliche Möglichkeiten mußten wieder ausprobiert werden. Die Chemiker arbeiteten fieberhaft. Der Ministerialrat wurde schon ungeduldig. Die Regierung drängte.
Der amerikanische Botschafter hatte gegen Georges Gefangenhaltung Einspruch erhoben. Es sei nicht statthaft, daß ein freier Bürger der Staaten in dieser Weise in seiner Freiheit beschränkt würde.
Das britische Ministerium wandte dagegen ein, daß George Taft sich durch eine Vertragsunterschrift selber damit einverstanden erklärte. In seinem Vertrag war tatsächlich eine Formel verflochten, die diesen Einwand bestätigte und den Engländern recht gab. Die Angelegenheit versickerte in einem höflichen Diplomatengeplänkel.
Glifford benutzte jede freie Minute, um sich in die Gedankenbahn Follows einzuschalten. Er verfolgte den Gangster auf dem Fluge nach London und erfuhr alle Maßnahmen, die der Mann später in jener Stadt traf. Dabei kam der Herr Polizeipräsident aus dem Staunen nicht heraus. Oft genug wurde er aber auch von einem heftigen Schrecken gepackt, wenn der Belauschte sich – unwillkürlich – mit seinen früheren Taten beschäftigte. Aus diesen sprach vielfach eine abgründig tiefe Verworfenheit, die mit einem scharfen Verstande und großer Raffinesse gepaart war. Aus der Intelligenz dieses Mannes, zum Guten gewendet, hätte Großes hervorgehen können. Doch er zog das Verbrechen vor. Glifford zuckte unwillkürlich zusammen, als Follow sich dreier von ihm persönlich begangener Morde erinnerte – Morde, die bis heute noch nicht aufgeklärt waren. Und einen solchen Menschen hatte er, Glifford, der Polizeipräsident, nun vor den Wagen des ›Staatsinteresses‹ gespannt!! War das nicht unverantwortlich?
Bei dieser Erkenntnis lief es dem Lauscher eiskalt über den Rücken. Wie konnte man sich auf einen solchen Verbrecher verlassen? Wer bürgte dafür, daß Follow nicht, froh, diese Lösung gefunden zu haben, seines Auftrages spottete und für immer auf Nimmerwiedersehen verschwand?
Aber nein! Halt! Das ging ja nun so einfach nicht mehr. Man hatte ihn ›an der Strippe‹, man konnte ihn stündlich beobachten, überwachen, man würde stets wissen, wo sich der Mann befand. Er würde nichts unternehmen können, ohne daß man darüber genau unterrichtet war. Insofern war diese Taftsche Erfindung doch eine ganz große Sache.
Follow dachte
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