Die gläserne Welt
erwiderte er, »ich halte es nicht für unmöglich. Sie haben einen gewaltigen Einfluß auf ihn.«
Glorias Lächeln ging in ein bitteres Lachen über. »Jawohl, einen so gewaltigen Einfluß, daß er mir einfach auf und davonging!« höhnte sie, »Oh – diesen Einfluß hatte ich selber sehr überschätzt. Ich habe ihn zur Vernunft bringen wollen – aber er war wie von Sinnen.«
Der Präsident erwiderte: »Er liebt Sie – aber er wußte, daß diese Liebe aussichtslos war; denn er hatte Sie und seinen Bruder belauscht. Dadurch war ihm übrigens gleichfalls bekannt, aus welcher Absicht heraus Sie sich so oft mit ihm trafen – so oft, daß man in der Öffentlichkeit sogar ihn für den bevorzugten Liebhaber hielt. George kannte Ihre Gedanken, er wußte genau Bescheid. Trotzdem wollte er immer wieder mit Ihnen zusammensein, teils, weil es ihm schmeichelte, mit Ihnen gesehen zu werden und weil er eben auch wirklich in Sie vernarrt ist – teils, um Sie seinem Bruder dadurch zu entziehen, Sie von diesem vielleicht doch noch entfremden zu können.«
»Ich sehe, Sie sind im Bilde, Herr Präsident!«
»Ja. Das bin ich. Sehr gut sogar«, erwiderte Glifford geschmeichelt, »und ich weiß auch, daß George Taft seine Tat schon bereut. Nicht um der Tat – sondern um Ihretwillen. Er verzehrt sich in Sehnsucht nach Ihnen, es ist, als habe sich durch die Liebe zu Ihnen in seinem Verstande etwas verschoben. Vergeblich ringt er nach Konzentration, die er so sehr benötigt, um die Erfindung aus seinem Kopf wiederherzustellen. Er arbeitet Tag und Nacht daran, aber er trinkt zuviel, um sich wiederum zu betäuben. Wenn Sie jetzt zu ihm kämen und ihm erklärten, wie Sie auch über Wilburs Verhalten befremdet, um nicht zu sagen: enttäuscht sind –«
Gloria sprang plötzlich so jäh empor, daß Glifford erschrocken abbrach. »Woher wissen Sie das?« fragte sie mit bebender Stimme, »woher sind Ihnen all diese intimen Dinge bekannt? Sie haben gelauscht, Sir! Sind auch in meine Gedankenwelt eingedrungen. Aber das geht nicht, das kann ich nicht dulden; das verbitte ich mir! Sie haben Ihre Befugnisse weit überschritten!«
Ein zorniger Blick des Mädchens ließ den Präsidenten zusammenfahren. Er entschuldigte sich. Alles, behauptete er, habe er nur im Interesse der großen Sache getan. Es gehe um wichtigere Dinge, als um eine Liebesgeschichte. Im übrigen dürfe sie seiner strengsten Diskretion sicher sein.
Gloria schritt erregt hin und her. Blaß und bebend blieb sie vor dem Gemälde des Onkels stehen. »Und worauf wollen Sie nun hinaus?« fragte sie.
Glifford hatte sich gleichfalls erhoben. »Ich wollte Sie bitten«, erwiderte er, »nach London zu fliegen, dort mit George Taft in Verbindung zu treten und ihm zu erklären, daß er nicht nur zwei, daß er drei Millionen Pfund haben soll, wenn er mit Ihnen zurückkehrt, ohne seine Erfindung dort preisgegeben zu haben.«
Gloria ließ sich wieder in ihren Sessel gleiten. »Ein phantastischer Vorschlag«, erwiderte sie, »aber er wird doch bewacht! Er wird ja gefangen gehalten. Wahrscheinlich würde man mich gar nicht zu ihm lassen.«
»Es müßte trotzdem versucht werden«, meinte Glifford und blickte auf seine Fingernägel. »Hier darf man keine Möglichkeit außer Acht lassen, mag sie auch noch so gering erscheinen. Ich habe auch schon andere Schritte getan. Irgend einer wird schon zum Ziele führen.«
Gloria erklärte trotzig: »Nein! Auf mich dürfen Sie dabei nicht rechnen. Ich habe genug davon, will mit dieser Sache nichts mehr zu tun haben, hören Sie? Ich bin mir zu gut dazu, um mich von Ihnen als Lockvogel benutzen zu lassen. Und drei Millionen! Haha – auch nur Lockspeise! Schwindel! Jawohl, verehrter Herr Präsident – hier kann ich Ihre Gedanken lesen, auch ohne den herrlichen Lauschapparat, diese verfluchte Erfindung. Erst muß man ihn einmal über den großen Teich locken, ja, und dann wird man ihn vor Gericht stellen, wegen Landesverrats. Unter dieser Voraussetzung ist es leicht, mit Millionen um sich zu werfen.«
Glifford, erschrocken, ist Schritt um Schritt zur Türe zurückgetreten. Zwei grobe, entstellende Falten laufen ihm quer über die Stirn. »Wenn Sie so von mir denken«, stammelte er – »Sie lehnen es also ab! Schade! Ich sah hier noch eine Chance für mich –«
»Für Sie? Ich denke, Sie sprachen im Staatsinteresse?«
»Natürlich. Im Staatsinteresse. Und gerade deshalb hatte ich angenommen, daß Sie für meinen Plan zu gewinnen wären. Vielleicht
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