Die gläserne Welt

Colay-Netze in jeder Ausführung und in sämtlichen Farben. Sogar ein hauchdünnes, ›unsichtbares‹ Colay-Netz kam auf den Markt.
    Bei dem leitenden Direktor des Werkes ließ sich ein Mister Trufood melden. Ob man ihm zwei Millionen Netze zu liefern sofort in der Lage sei?
    Der Direktor starrte den fremden Besucher an. »Wie? Was? Zwei Millionen? Sofort? Wieso?«
    Trufood schien kein Freund langer Reden zu sein. »Ja – oder nein?« drängte er.
    Der Direktor telefonierte. Er sprach mit der Lagerverwaltung, mit der Filial- und mit der Fabrikationsabteilung. Dann sagte er: » Eine Million können Sie haben. Die zweite innerhalb von acht Tagen.«
    Trufood stieß nur wieder ein Wort hervor. Dieses Wort lautete: »Preis?«
    »Die Preise«, erwiderte der Direktor kühl, »dürften Ihnen aus unseren Prospekten bekannt sein.«
    »Sind sie. Kommt aber hier nicht in Frage. Engros-Sonderpreis, bitte!« Trufood schien es gewohnt zu sein, nur im Telegrammstil zu sprechen. Der Direktor wischte sich über die Stirn. »Also gut«, sagte er, »fünfzehn Prozent Rabatt.«
    »Zwanzig!« rief Trufood spitz. Das Wort schwirrte durch den Raum wie ein Pfeil.
    »Kommt nicht in Frage«, erwiderte der Direktor, »fünfzehn ist schon das Äußerste.«
    Trufood faßte nach seinem Hut. »Leben Sie wohl!« sagte er und schritt bereits auf die Tür zu. Dem Direktor, starr vor Schrecken, blitzte eine Kalkulation durch den Kopf.
    »Halt!« rief er und zerrte den Fremden am Rock zurück. »Also in Gottes Namen!«
    Trufood entnahm seiner Tasche ein Scheckbuch. Während er noch ausrechnete, schrieb er bereits. Engrospreis 65 Cts. Abz. 20% = 52 Cts. Also bei einer Million 520 000 Dollar. Die Summe steht bereits da. Datum. Unterschrift. »Bitte sehr, Herr Direktor!« Er zog die Uhr. »In einer Stunde kann der Scheck eingelöst sein. Um 13 Uhr erwarte ich Ihre Lkws mit der Ware. Hier die Adresse meines Büros. Die zweite Million Netze erwarte ich prompt in acht Tagen. Den entsprechenden Scheck erhalten Sie Zug um Zug. Im übrigen danke ich. Good bye!«
    Der Scheck wurde eingelöst. Um die bestimmte Stunde fuhren drei Lkws, schwer beladen, bei Trufood vor. Sein Geschäft bestand nur aus drei Räumen. Über dem Laden sah man ein Schild mit der Aufschrift: ›Jackson & Trufood, Wirtschaftsartikel en gros, en detail.‹
    Jackson war schon seit drei Jahren tot.
     
    Die ersten sechshundert Lauschgeräte sind aus der Taftschen Fabrik geliefert worden. Fünfhundert davon fielen der Polizei zu. In allen größeren Städten wurden Beobachtungsstellen eingerichtet.
    Die Apparate wurden nach einem besonderen Plan verteilt. Glifford hatte nichts mehr damit zu tun; man hatte ein eigenes Kommissariat dafür aufgezogen: die staatliche Einrichtungs-, Überwachungs- und Verteilungsstelle in Washington.
    Es konnte nicht mehr abgestritten werden, daß die Kurve der Kriminalität gewaltig im Absinken war. Die Zahl der Morde in den Vereinigten Staaten war von 312 im Monat auf 84 zurückgefallen. Ebenso sah es bei anderen schweren Delikten aus. Für die Verbrecherwelt war eine schwere Zeit angebrochen; sie stand vor dem Untergang. Tausende büßten täglich die Freiheit ein, weil sie mittels des Lauschgeräts erwischt worden waren. Selbst die geheimnisvollsten und raffiniertesten Vorgänge wurden aufgedeckt, es konnte nichts mehr verborgen bleiben, man konnte nicht mehr im Trüben fischen. Lügen, Verdrehungen, trotziges Schweigen – es half nichts mehr. Man zerrte aus den Gedanken der Menschen die Wahrheit, und zwar die absolute Wahrheit ans Licht.
    Unzählige böse Taten konnten vor ihrer Ausführung noch verhindert werden. Man wagte schon gar nicht mehr, sich etwas Unrechtes vorzunehmen; man war gezwungen, sich umzustellen und wieder gewissenhaft und ehrlich zu werden – wollte man nicht vor die Hunde gehen.
    Jeder anständige Mensch begrüßte von Herzen diese Veränderung. Die allgemeine Sicherheit nahm in weitestem Umfange zu. Einbrüche, Diebstähle und Betrügereien kamen von Tag zu Tag seltener vor. Auch im privaten Leben, bei kleineren Vorgängen, herrschte mehr Sauberkeit. Jeder, der Böses im Schilde führte, mußte gewärtig sein, daß seine Absicht entdeckt und vereitelt wurde; denn von Zeit zu Zeit griff sich die Polizei bereits weniger schwere Fälle heraus. Die allgemeinen Verhältnisse zwischen den Menschen sollten gesäubert werden.
    Die erste Gerichtsverhandlung, bei der man sich des neuen Verfahrens bediente, fand in Chikago statt. Es handelte sich