Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff
Vom Netzwerk:
denken Sie doch noch einmal darüber nach.«
    Gloria lächelte spöttisch. »Das ist schon möglich. Und was ich denke, werden Sie ja genau erfahren, falls Sie mich weiter in so taktvoller Weise belauschen oder belauschen lassen, Herr Präsident.«
    Glifford stammelte nochmals eine Entschuldigung. Dann empfahl er sich hastig und eilte enttäuscht davon.
     
    George wurde ununterbrochen belauscht. Er befand sich tatsächlich in einem Zustande geistiger Unrast, die ihn kaum zu klarem Nachdenken kommen ließ. Die Formel für die Metall-Legierung, deren Einfügung in die Vakuumkapsel die Seele der ganzen Erfindung war, wollte ihm nicht wieder einfallen. Er hatte seinerzeit mit Wilbur zusammen in dieser Hinsicht zweitausendvierhundertdreiundzwanzig Versuche gemacht, bevor die richtige Lösung geglückt war. Er schauderte bei dem Gedanken, nun wiederum eine Unzahl von Versuchen anstellen zu müssen.
    Die übrigen Teile des Geräts wurden bereits zusammengebaut. Nun fehlte nur noch die Seele das Ganzen.
    Es half auch nichts, daß George versuchte, sein Erinnerungsvermögen durch reichlichen Alkoholgenuß aufzufrischen. Immer wieder betrank er sich – und dadurch glitt er immer weiter von seinem Vorhaben ab. Dafür meldete sich die Leidenschaft, die er Gloria gegenüber empfand. Tatsächlich spielte er mit dem Gedanken, alles einfach stehen und liegen zu lassen und zu ihr zurückzukehren, ganz gleich, was weiter daraus entstehen könnte. Immerhin war es doch möglich, daß sich das Schicksal doch noch zu seinen Gunsten entschied. Wilbur konnte krank werden, konnte sterben, verunglücken – Unfälle kamen ja täglich vor. Vielleicht konnte man da sogar etwas nachhelfen!
    George zuckte zusammen, als ihm diese Idee durch den Kopf fuhr. Wenn Wilbur – oder auch jemand anderes – ihn nun gerade belauscht hatte und dadurch von diesen Mordgedanken erfuhr? Schließlich spielte er nur mit diesen Gedanken. Außerdem sind sie blöde. Warum sollte gerade Wilbur ein Unglück treffen? Ihn umbringen? Nein – im Ernst dachte er doch nicht daran. Ganz gewiß nicht. Wenn er zu einer solchen Tat schreiten wollte, würden sich Hemmungen einstellen. Nur in Gedanken war man so hemmungslos. Jawohl, ihr Lauscher: nur in Gedanken! Hand aufs Herz – habt ihr nicht auch schon öfter in eurem Leben mit hemmungslosen Gedanken gespielt? Daß ihr – in einer augenblicklichen Wallung – eure eigene Frau oder eure Schwiegermutter umbringen wolltet? Dann war das selbstverständlich auch nur eine momentane Affektphantasie, die man im nächsten Augenblick wieder verwarf, verurteilte und überlegen belächelte.
    Aber man war doch in seinen Gedanken frei, man reagierte sich in ihnen ab. Bisher wenigstens war man noch frei. Aber nun wurde es anders. Nun erhielten auch andere Menschen Einblick in diese oft so verworfene und verworrene geistige Welt, die mit einem ganz anderen Maßstab zu messen war, als die äußere. Wer aber würde hier schon die richtigen Maße erkennen? Man würde eine spielerische Verwünschung als krasse Mordabsicht deuten, würde voller Entsetzen zurückschrecken vor den brutalen und hemmungslosen Instinkten, die sich, aus dem Unterbewußtsein hervorquellend, in der Gedankenwelt äußerten.
    George dachte dies alles in vollem Bewußtsein durch, um es auch denen klar zu machen, die ihn im Augenblick gerade belauschen mochten. Hier mußte nicht mit gewöhnlichen Maßen – hier mußte mit Mikrogewichten gewogen werden. Gedanken sind oft nur Träume, erwog er weiter, und Träume sind Schäume. Mehr nicht.
    Sprunghaft landete er wieder bei seinem ›Gloria-Komplex‹, wie der Arzt sagen würde. Ja. Andern. Natürlich kann sich mancherlei ändern. Auch bei Gloria selbst. Wenn sie eines Tages erkannte, daß Wilbur doch nicht der richtige Mann für sie war. Durch Mißverständnisse konnten beide einander entfremdet werden. Und dann werde ich, dachte George, auf dem Plan sein. Ich, der Landesverräter! – Landesverräter? Verdammt ja – da habe ich doch einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen. Ich habe mich blenden lassen. Wo ist mein Verstand geblieben? Gloria wird mich verachten. Ich habe bei ihr keine Chancen mehr. Aber was heißt das? Ich würde trotzdem versuchen, sie für mich zu gewinnen.
    Und was heißt hier ›Landesverrat‹? Glauben die Menschen denn tatsächlich, daß es möglich sei, die Erfindung anderen Staaten vorzuenthalten? Täglich konnte die gleiche Erfindung in einem anderen Lande gemacht werden. Diese

Weitere Kostenlose Bücher