Die gläserne Welt

viele, die flüchten wollten, daß es durch Abhorchen gelang, eine Paßfälscherzentrale aufzudecken. Viele, die sich gerade dieser Quelle für ihre Pässe bedienen wollten, konnten nun nicht mehr fort.
    Die Zeitungen hatten viel Interessantes und Amüsantes zu berichten.
     
    Auch Wilbur verfolgte die Auswirkung seiner Erfindung, die sich nun von Großbritannien her immer weiter zu verbreiten begann, mit dem größten Interesse. Er unterhielt sich mit Gruth darüber, der jetzt häufig sein Gast war. Der Inspektor hatte als Leiter der Überwachungsstelle schon viele wertvolle Erfahrungen gesammelt.
    »Besonders segensreich«, meinte Gruth, »beginnt sich das Ablauschverfahren jetzt auch schon in der Politik auszuwirken. Es trägt sehr zur Reinigung der Atmosphäre und zur allgemeinen Verständigung bei.«
    »Mit Politik«, sagte Wilbur, »habe ich mich infolge der vielen Arbeit eigentlich niemals eingehend beschäftigen können. Ich gehöre auch keiner Partei an. Sie mögen meine Vorstellungen vielleicht als naiv bezeichnen, – aber im Grunde genommen ist es doch wohl so, daß jede Partei im Sinne des Volkes das Beste im Auge hatte. Nur über die Wege zu diesem Besten gehen die Meinungen auseinander. Darüber ereifert man sich dann so leidenschaftlich, daß man sich am liebsten die Köpfe einschlägt, statt in Ruhe Punkt für Punkt zu erwägen und auch einmal eine andere Meinung gelten zu lassen.«
    Gruth lächelte. »Meinungsverschiedenheiten«, behauptete er, »werden auf diesem Gebiet immer bestehen. Über die in den einzelnen Ländern anzuwendenden Regierungssysteme kann man ja auch verschiedener Meinung sein. Neue Erfahrungen müssen immer wieder gesammelt werden. Ungezählte Probleme harren der Lösung. Jede Partei glaubt ihre besondere Patentlösung gefunden zu haben. Glückt sie, dann ist es natürlich ihr großes Verdienst – geht es aber daneben, dann schiebt man die Schuld möglichst unauffällig und möglichst geschickt den anderen in die Schuhe. Und hier stehen wir schon am Rande der Ebene, wo die Politik abschüssig wird.«
    »Weil sie eben nur von Menschen gemacht wird«, schaltete Wilbur ein, »deshalb spielen auch alle menschlichen Fehler, Schwächen und Verbrechen hinein. Jeder ist eigensüchtig, jeder will seinen Posten behaupten, eventuell auf Kosten der anderen, – jedes Mittel ist recht dazu.«
    »Richtig!« bestätigte Gruth, »und so kommt es bisweilen zu einem politischen Mord. Das aber, sehen Sie, Wilbur, das hat jetzt aufgehört. Jeder Politiker wird künftig stets und ständig genau überwacht sein. Jetzt kann nicht mehr im Dunkeln gearbeitet werden. Jetzt heißt es: Farbe bekennen! Wie oft ist gerade auf diesem Gebiet mit falschen Versprechungen gearbeitet worden! So etwas gibt es fortan nicht mehr. Wir erkennen, was falsch und was wahr ist, wir wissen, ob jemand ehrliche oder unlautere Absichten hat. Mögen die Meinungen auch verschieden sein – wenn sie nur ehrlich sind! Sehen Sie, – so kommt durch Ihre Erfindung ein sauberer Zug auch in die Politik hinein. – Haben Sie nicht schon bemerkt, wie ruhig, ja, freundlich es neuerdings in unserem Parlament zugeht? Wie sich die Abgeordneten anlächeln, wenn sie eine Rede gehalten haben? Köstlich ist es auch, zu beobachten, wie sie verlegen werden, wenn sie sich bei einem Rückfall in die alte Methode ertappen. Wie beim Naschen erwischte Kinder kommen sie sich dann vor.«
    »Ja ja, es muß sehr amüsant sein«, bemerkte Wilbur, »aber ich habe leider zu wenig Zeit, um an solchen Sitzungen teilzunehmen.«
    »Es ist schon vieles sauberer geworden in der Politik«, sagte Gruth, »und es wird noch sauberer werden. Außerdem braucht man jetzt für Verhandlungen nur noch den zehnten, den hundertsten Teil der Zeit, wie bisher. Weil alles im wahrsten Sinne des Wortes mit Gedankenschnelle geklärt wird. Die letzte Stadtverordnetensitzung hier in New York, bei der zwölf Punkte beraten wurden, und die noch nach der alten Methode geführt worden ist, hat neun Stunden und zwanzig Minuten gedauert. Die erste Sitzung nach dem neuen System hatte zwanzig Punkte auf der Tagesordnung und war in drei Stunden und vierzehn Minuten erledigt.«
    »Fabelhaft!« staunte Wilbur, »außerdem wird sie viel glatter und ruhiger verlaufen sein.«
    »Stimmt!« sagte Gruth, »man ist in allen Punkten überraschend schnell einig geworden. Sie sehen, Wilbur, nicht nur im Gerichtswesen und bei der Kriminalität, auch auf anderen Gebieten erweist sich Ihre Erfindung als