Die gläserne Welt
auf den richtigen Weg helfen. »Vermutlich Untreue?« – »Nein, durchaus nicht. Wie soll ich sagen – ich möchte nur wissen, wie und was die Dame über mich denkt.«
Shurland ärgerte sich. Damit kamen Tausende und nahmen ihm seine Zeit weg. »Tut mir leid«, sagte er, »aber ein Ablauschen kann nur in dringenden Fällen gestattet werden. Abgesehen davon müßte die betreffende Dame erst irgendwie darauf aufmerksam gemacht werden.«
»Wie?« fragte Milton erschrocken, »aufmerksam – daß sie belauscht wird?«
»Nein, so kraß nicht. Aber sehen Sie, Sir, wenn Sie sie jetzt belauschten, würden Sie wahrscheinlich nur belanglose Dinge vernehmen. Oder glauben Sie, daß man sich in Gedanken nur noch mit Ihnen beschäftigen wird? Sie stellen sich das viel einfacher vor, als es ist. Jedenfalls muß ich bedauern, Ihnen nicht helfen zu können.«
Milton zog unverrichteter Dinge von dannen. Auch er war ärgerlich. Freilich – er hatte sich das wirklich einfacher vorgestellt. Aber Shurland mochte schon recht haben: wenn man aufs Geratewohl jemanden belauschte, mußte man gewärtig sein, absolut uninteressante Dinge zu erfahren.
In der Praxis half man sich gern mit Telefonanrufen. Sollte jemand bezüglich einer bestimmten Person abgelauscht werden, rief man ihn unter irgend einem Vorwande an und lenkte dadurch den Abzulauschenden auf diese Weise in die gewünschte Gedankenbahn. Oder man schrieb einen Brief, schickte ein Telegramm. Traf man derartige Maßnahmen nicht, dann war es leicht möglich, daß man lange vergeblich vor dem Empfänger saß.
Morgen erwartete Milton Glorias Besuch in seinem Atelier. Es war ja ausgemacht worden, daß er sie malen sollte. Allzugern hätte er jetzt gewußt, wie sie eigentlich auf ihn eingestellt war. Der Gedanke, zu ihr in engere Beziehungen zu treten, kam ihm nicht mehr so absurd vor, wie bisher. Hatte er doch inzwischen bewiesen, daß er besonderer Leistungen fähig war, hatte er sich doch schon einen gewissen Namen als Künstler geschaffen.
Auf Grund solcher Erwägungen legte er auch seinen Gefühlen nicht mehr so straffe Zügel an. Gedanken, mit denen er bisher nur zu spielen wagte, nahmen jetzt ernsthafte Gestalt an. Er liebte Gloria.
Würde er wohl den Mut aufbringen, ihr das zu sagen? Hatte er ihr das nicht durch einen Blick schon verraten?
Sie wollte sich von ihm malen lassen. Wenn er ihr nicht sympathisch wäre, würde sie das nicht tun. Also durfte er ein klein wenig Hoffnung haben.
Andererseits: er hatte sich ihr gegenüber immer sehr zurückhaltend gezeigt. Durch diese Zurückhaltung hatte er ihr Vertrauen gewonnen. Wenn er nun aus sich herausging – vielleicht empfand sie das als einen Vertrauensbruch?
So schwankte er zwischen Zweifeln. Mit seiner inneren Ruhe war es vorbei, seine Einsamkeit ging in eine Zweisamkeit über. Er konnte nicht mehr allein sein. Immer wieder rankten sich Wünsche und Vorstellungen über Gloria in seine Gedanken ein.
Wilbur Taft wurde in Washington vom Präsidenten empfangen. Das war für ihn ein großes Ereignis. Aber gerade an diesem Tage sollten ihm auch die unangenehmen Begleiterscheinungen seiner Erfindung klar zum Bewußtsein kommen. Auf der Einladung hieß es, daß ihn der Präsident unter vier Augen zu sprechen wünsche. Unter vier Augen? Freilich – das gab es noch, – aber nicht mehr in dem Sinne, in dem dieser Ausdruck gebräuchlich war. Unter vier Augen bedeutete: unbelauscht. Wer aber stand dafür ein, daß dieses Zwiegespräch nicht belauscht wurde? Wer konnte das noch verhindern? Eine wirksame Tarnkappe gab es nicht.
Mit Aussprachen unter vier Augen war es vorbei. Mochte man in den Vereinigten Staaten auch Rücksicht nehmen und taktvoll die Ablauschgeräte beiseiteschieben – in England würde man sich bestimmt voller Neugierde auf das Ereignis stürzen und mit besonderem Eifer diesem Gespräch gedanklich beizuwohnen versuchen. Im weißen Hause hatte man an diese Möglichkeit nicht gedacht, als man ›unter vier Augen‹ schrieb.
Aber der Präsident selber war inzwischen auf diesen Gedanken gekommen. Er lächelte: »Sehen Sie, Taft – Ihre geniale Erfindung hat auch ihre Schattenseiten. Sie nimmt uns jedes Geheimnis und damit auch manche Vertraulichkeit. Wissen wir, ob nicht jetzt irgendwo ein beflissener Journalist sitzt, der, uns belauschend, jedes Wort eifrig mitschreibt, das von uns beiden gesprochen wird? Immerhin muß ich zugeben, daß die Vorzüge überwiegend sind. Mir persönlich macht es auch gar
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