Die gläserne Welt
der sich zu Wilbur Taft auf den Weg gemacht hatte, um ihn niederzuschießen. Diese Vorgänge wirbelten ungeheuer viel Staub auf.
Doch die Erfindung war nicht mehr ungeschehen zu machen. Man würde sie nicht mehr ausmerzen können, ebensowenig wie die Erfindung des Pulvers oder der Atomenergie. Man mußte sich daran gewöhnen, mußte sich damit abfinden. Ja, das war es: abfinden! Man mußte sich ja auch damit abfinden, überhaupt geboren und auf der Welt zu sein. Mancher wäre lieber gar nicht erst auf die Welt gekommen. Was hatte man auch davon? Not – Sorgen – Kummer! Für die meisten sah es so aus, – oder nicht? Die Glücklichen waren und blieben stets in der Minderzahl.
Man durfte wirklich gespannt sein, wie das mit dieser Erfindung noch enden würde ...
Nach Frankreich und Deutschland hatte George im Einvernehmen mit Wilbur schon verschiedene Lizenzen vergeben. In Paris hatte man eine ›Gesellschaft zur Erforschung der Taftschen Schwingungen‹ ins Leben gerufen. Für diese Gesellschaft ging eine hochherzige Stiftung in Höhe vieler Millionen Franken ein. Der Spender hatte sich Monsieur Nemo (Niemand) genannt. Bald aber kam es ans Licht, daß es sich um keinen anderen als Mr. Trufood handelte. Ein Gelächter ging durch den Blätterwald. Überall stellte man Trufoods Gedanken nach. Einem Journalisten gelang es auch, folgende Überlegungen von ihm zu erhaschen: ›... warum soll ich mir keinen Witz erlauben? Ich kann es mir leisten – dank der Taftschen Erfindung. Durch sie bin ich auf die Abschirmnetze verfallen – und wenn es auch Schwindel war, so hat er mir immerhin ein Vermögen ein- und vielen anderen, wenigstens zeitweise, die innere Ruhe wiedergebracht. Heute noch glaubt so mancher an diese Illusion. Wenn ich Glück habe und nicht gerade wieder dabei belauscht werde, kann ich vielleicht noch einmal das gleiche Geschäft machen ... Warum sollte ich also ein Unternehmen nicht unterstützen, dem ich so viel zu verdanken habe! ...‹
Ein neuer Betrug sollte ihm allerdings nicht mehr glücken. Doch er arbeitete, wie man weiter erfuhr, tapfer daran, ein wirklich brauchbares Gegenmittel zu finden.
Während man in Frankreich die Ausnutzung der Erfindung der Allgemeinheit rückhaltlos anvertraute, wie man es auch in England tat, zog man in Deutschland vor, dem Beispiel der Vereinigten Staaten zu folgen. Hier mußte alles genau geregelt, registriert, gesetzlich verankert und durch eine Menge von ›Verboten‹ eingerahmt werden. Das Lauschgerät wurde Staatsmonopol. Nur wenige Auserwählte erhielten die Genehmigung, es zu benutzen. Aus dem Pachtgeschäft zog der Staat einen großen Verdienst. Immerhin wurde die Öffentlichkeit auf dem Gebiet des Ablauschens stets genau unterrichtet. Was man ihr glaubte vorenthalten zu können, erfuhr sie durch die Presse oder auch durch private Institute der Nachbarstaaten.
Gerade die Deutschen wurden von allen Bevölkerungskreisen der anderen Länder immer wieder eifrig belauscht. Man wollte ihre wahre Gesinnung erfahren, – erfuhr sie auch, und auf diese Weise gewannen sie endlich wieder Vertrauen in aller Welt. Die allgemeine politische Atmosphäre entspannte sich mehr und mehr.
Wollte aber in Deutschland jemand privatim einem der lieben Nächsten hinter die Hirnschale gucken, dann wandte er sich an ein ›Ablausch- und Auskunftsinstitut‹ in Paris: ›Teilen Sie mir bitte mit, wie Herr X in Wirklichkeit über mich denkt. Ich werde ihn am 14. um 15 Uhr besuchen, so daß er dann in seinen Gedanken mit mir beschäftigt ist.‹
Oder: ›Stellen Sie bitte fest, ob Herr NB. bezüglich meiner Tochter von ernsten Absichten beseelt ist ...‹ Oder: ›Mein Mann betrügt mich. Bringen Sie mir den Beweis. Keine Summe soll mir dafür zu hoch sein. Sein genaues Geburtsdatum füge ich, wie erbeten, bei.‹
Solche Aufträge wurden in den meisten Fällen prompt ausgeführt.
Auch in Frankreich und Deutschland sank die Kriminalität rapide herab. Man wandte auch hier vor Gericht schon das neue Verfahren an, und überall hatte man den gleichen Erfolg. Heuchelei und Verstellung gab es nicht mehr. Auf Fragebogen konnte verzichtet werden, man sparte tonnenweise Papier. Niemand konnte mehr seine wahre Gesinnung hinter einer falschen verbergen. Sauberkeit und Anstand kamen wieder in Kurs. Nirgends mehr konnte die Masse von gewissenlosen Politikern ausgenutzt werden.
Inzwischen trat George seine Weltreise an. Sie glich einem Siegeszug.
Gloria hatte bei Milton angerufen.
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