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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Schicht hier genügt, um das Glas mit einer spiegelnden Haut zu überziehen. Du musst immer darauf achten, dass du die Lösung gleichmäßig auf dem Wasser verteilst, sonst bleiben unverspiegelte Flecken auf dem Glas zurück. Und hüte dich vor dem Quecksilber - es ist ein übler Stoff, der mühelos durch die Haut in den Körper eindringt. Viele Männer aus unserem Gewerbe sind schon daran gestorben, darunter auch jemand, der mir sehr nahe stand.»
    Corradino musste schmunzeln, während er daran dachte, wie er seine Quecksilbervergiftung simuliert hatte. Zu diesem Zweck hatte er sich die Zunge mit Holzkohle geschwärzt und dann ein wenig schwarzen Speichel auf sein «Totenbett» tropfen lassen. Als er sich jedoch vorstellte, welchen Eindruck sein Anblick auf Giacomo gemacht haben musste, verging ihm das Lächeln.
    Er wandte sich erneut an Jacques. «Pass einfach auf, dass du so wenig wie möglich mit der Mischung in Berührung kommst», sagte er und hob die große silberne Scheibe mit Hilfe zweier Lederpolster aus dem Bottich. «Bei der Hitze hier trocknet die Versilberung sehr schnell - siehst du?»
    Staunend sah Jacques über die Glasplatte gebeugt zu, wie sein Spiegelbild im Verlauf des Trocknungsvorgangs immer schärfer und klarer wurde.
    «Hier kannst du erkennen, dass die Kanten, wo ich den Külbel aufgeschnitten habe, noch rau und ungleichmäßig sind. Um sie zu glätten, benutzen wir wieder das Messer und ein Lineal aus Metall. Damit brauchst du nur die Silberschicht sauber anzuritzen, dann bricht das    Glas darunter genau entlang der Linie, die du gezogen hast.» Corradino machte es ihm vor. «Hier gibt es viele unterschiedlich geformte Metalllineale, denn die Spiegel sollen, wie du ja weißt, an ihrer Oberkante einen bogenförmigen Abschluss erhalten. Dafür brauchen wir so etwas.» Er hielt einen biegsamen Metallstreifen in die Höhe. Als Jacques nickte, wandte sich der Meister wieder der Spiegelscheibe zu. «Und zum Schluss nehmen wir ein Stück Chamoisleder», fuhr er fort, «tauchen es in Alaun und polieren damit die Scheibe. Siehst du, so.»
    Jacques hätte nicht gedacht, dass der Spiegel noch stärker blitzen und blinken konnte, doch unter Corradinos flinken Händen begann das Glas jetzt förmlich zu singen. Auf dem Gesicht des Lehrlings malten sich Staunen und Bewunderung, aber auch Wissbegierde ab. Er hatte so viele Fragen! «Maitre, wie fertigen die anderen Glasbläser Spiegel?»
    «Etwas, worin man sein Spiegelbild sieht, hat es immer schon gegeben. Die ungläubigen Araber pflegten ihre Schilde auf Hochglanz zu polieren, damit sie sich darin sehen konnten. In anderen Ländern versucht man heutzutage, Glas ganz dünn auszurollen, wie einen Kuchenteig. Die Ergebnisse sind passabel, doch eine wirklich große Scheibe kann man auf diese Weise nicht herstellen. Denn wenn das Glas abkühlt und aushärtet, wird es holprig und uneben. Einen Külbel dagegen kannst du so groß machen, wie es dein Atem zulässt. Und wenn du den Glaszylinder dann aufschneidest, erhältst du eine Scheibe in fast jeder gewünschten Größe. Das lässt sich einfach berechnen.» Corradino zuckte ein wenig verlegen die Achseln, als er Jacques' bewundernden Blick bemerkte. Doch er stellte auch noch etwas anderes fest: Dem Jungen ging es genauso wie ihm - es juckte ihn geradezu in den Fingern, es selbst einmal zu versuchen.
    Was habe ich jetzt alles zusammengeschwafelt! Wenn ich über meine Arbeit spreche, bin ich viel mitteilsamer als gewöhnlich. So mancher, der mich kennt, glaubt, ich sei stumm wie eine Auster. Doch wenn die Rede auf das Glas kommt, plappere ich los wie ein Papagei. Aber genug jetzt.
    Und dann sagte er etwas, was er früher für undenkbar gehalten hätte: «Und jetzt bist du dran.»
     

Kapitel 27
    Der Ritter ohne Furcht und Tadel
    Signor Aldo Savini, Leiter der Abteilung für seltene Bücher der Bibliothek Sansoviniana in San Marco, war gelinde überrascht, als ihn die schöne blonde Frau um Rat bat. Er sollte ihr dabei behilflich sein, die Zunftbücher der Glasbläser und Spiegelmacher des siebzehnten Jahrhunderts aus den Regalen zu holen. Und sie konnte sogar einen Leserausweis vorweisen! Er warf einen Blick auf die neue Plastikkarte - dem Namen nach zu urteilen, war sie Venezianerin. Achselzuckend reichte er ihr ein Paar dünne Baumwollhandschuhe. «Die müssen Sie anziehen, Signorina. Diese alten Bücher sind sehr empfindlich. Daher müssen Sie sie auch auf dem Pult dort drüben ablegen, um die Rücken zu

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