Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
Vom Netzwerk:
Spiegel hing an seinem Platz, und die Menge trat mit bewundernden Ausrufen einen Schritt zurück. Auch die Handwerker warfen einen zufriedenen Blick auf ihr Werk. Hoch über ihren Köpfen wölbten sich die Bögen der kristallklaren Spiegel, die mit ihren Verstrebungen wie goldene Käfige wirkten, in denen sich das Licht fing. Die Betrachter erblickten nicht nur ihr eigenes Spiegelbild. Hinter ihnen erstreckten sich, soweit das Auge reichte, die halb vollendeten Gartenanlagen mit den Zierteichen - ein wahres Wunder an optischer Gestaltungskunst. Und das war ja erst der Anfang! Die versammelte Hofgesellschaft erhielt schon jetzt einen Eindruck von dem wunderbaren Anblick, der auf sie wartete, wenn der Spiegelsaal erst einmal vollendet wäre. Alle standen wie erstarrt unfähig, die Augen von dem Werk loszureißen, jedes Geräusch erstarb. Nicht nur aus Bewunderung für die großartige Handwerksarbeit, die Menge verstummte, weil der König den Raum betreten hatte.
    Während sich alle Anwesenden bis zum Boden verneigten, schritt Ludwig zu dem Spiegel hinüber. Auch Corradino machte eine tiefe Verbeugung.
    Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Ob dem König mein Werk wohl gefallen wird?
    Doch das war schon bald seine geringste Sorge. Sein gesenkter Blick streifte das Schuhwerk des Königs und blieb dann an den Schuhen des Mannes, der neben diesem stand, hängen - Bauta-Schuhe, wie es sie nur an der Rialtobrücke zu kaufen gab.
    Venezianische Schuhe.
    Corradino standen vor Entsetzen die Haare zu Berge. Er wagte es nicht, seine Augen zu erheben, und als sich die Umstehenden langsam wieder aufrichteten und Hardouin-Mansart und Le Nötre vortraten, gelang es ihm, sich in den Hintergrund zurückzuziehen. Der König sagte etwas, doch in Corradinos Ohren rauschte das Blut so laut, dass er zuerst kein Wort verstehen konnte.
    «Nun, mein Herr Gesandter, das ist nicht schlecht, oder? Jetzt werdet auch Ihr zugeben müssen, dass mein kleines Chäteau, wenn es erst einmal fertig ist, es leicht mit Euren zerbröselnden Palazzi aufnehmen kann.»
    Der Gesandte verneigte sich zuvorkommend, doch Corradino bemerkte, dass sein Blick kühl und wachsam war. Er glaubte den Mann flüchtig zu kennen. Dieser gehörte der venezianischen Familie Guilini an und hatte Vorjahren, als Corradinos Vater im Ostseehandel tätig war, ein Amt im Arsenale bekleidet - ein schweigsamer, aber hochintelligenter junger Mann. Vermutlich hatte ihm der Einfluss seiner Familie zu diesem herausragenden Posten eines Gesandten verholfen. Der Gesandte war in feinsten venezianischen Samt und in Seide gekleidet, sein Bart war gestutzt, das sorgfältig geölte Haar kurz geschnitten. Dennoch wirkte er nicht wie ein Stutzer, sondern wie ein beherrschter, selbstsicherer und überaus gefährlicher Mann.
    Als der König Hardouin-Mansart und Le Nötre in der Menschenmenge ausmachte, winkte er sie mit seiner dicken,    beringten Hand zu sich und stellte sie mit wenigen Worten vor, während sich die beiden Männer abermals tief verneigten. «Das hier ist Hardouin-Mansart, mein Schlossbaumeister. Und Le Nötre ist für die Anlage der Gärten zuständig. Geht es gut voran?» Doch bevor sie antworten konnten, plapperte er bereits weiter: «Ja, schon gut, aber dieser Spiegel hier übertrifft Eure Arbeit doch bei weitem. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr beide hübsch eifersüchtig seid. Würde Euch wohl nicht übel gefallen, wenn einer Eurer Maurer ihn mit einem Ziegelstein einwerfen würde, was, Jules?» Der König lachte über seinen eigenen Witz, und die versammelte Hofgesellschaft stimmte ein. Dann, als Corradino gerade aufatmen wollte, stellte der König eine Frage, die dem Glasbläser das Blut in den Adern gefrieren ließ. «Wo ist eigentlich mein Maitre des Glaces? Ihr beide sollt schließlich nicht allein die ganzen Lorbeeren ernten ...» Er ließ seine Augen über die Menge schweifen und entdeckte Corradino schließlich. Dem schlug das Herz so heftig, dass er glaubte, es müsse ihm gleich aus der Brust springen. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Königs. «Da ist der Bursche ja.»
    Ich bin erledigt - das ist mein Ende.
    Doch die plumpen Finger zeigten auf Jacques Chauvire. Der Glasbläser Guillaume Seve, den man bei der Anstellung übergangen hatte, gab dem Jungen einen Stoß, sodass er unbeholfen nach vorn stolperte. Da stand er nun und drehte verlegen seine Lederkappe in den Händen.
    Der Gesandte Baldasar Guilini zog eine Augenbraue hoch und warf Jacques einen

Weitere Kostenlose Bücher