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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Traum wahr machen kann.»
    Für einen winzigen Augenblick schien Duparcmieur verwirrt ob dieser erstaunlichen Wandlung, doch sofort hatte er sich wieder völlig in der Gewalt.
    «Ja, Majestät. Erlaubt mir, Euch Signor Corrado Manin aus der schönen Stadt Venedig vorzustellen. Ich bin mir sicher, dass Ihr von seiner Kunst nicht enttäuscht sein werdet.»
    «Hm.» Der König tippte sich mit einem Fingernagel gegen die Zähne, wobei Nagel wie Zähne gleichermaßen gelb gegen die weiß gepuderten Wangen abstachen. Dann sagte er unvermittelt: «Habt Ihr schon die Sainte-Chapelle gesehen?»
    Als Corradino bemerkte, dass er gemeint war, verneigte er sich tief und antwortete: «Nein, Euer Majestät.»
    «Dann solltet Ihr das schleunigst nachholen. Sie ist wirklich schön. Berühmt für ihre Buntglasfenster.» Ein Ausdruck von Stolz auf dieses Juwel der Baukunst huschte über das Gesicht des französischen Herrschers. «Aber in Wahrheit gefällt sie mir nicht besser als Minous kleines Andenken hier.» Um diese erstaunliche Kehrtwendung zu unterstreichen, deutete er auf den Hundehaufen, der noch immer den Teppich zierte. «Kleine Glasstückchen, bunter Firlefanz, winzige zusammengekleisterte Scheibchen. Gut genug für ein Kind. Gut genug für Gott.» Er erhob sich von seinem Sessel und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. «Ich aber bin der König! Ich will herrliches, reines Glas in riesigen Scheiben. Spiegel in Weiß und Gold, die mich in meiner ganzen Erhabenheit zeigen. Könnt Ihr so etwas für mich machen, Signore?»
    Corradino war durch das Gebaren des Königs eingeschüchtert. Im ersten Moment glaubte er, keinen Ton herausbringen zu können. Doch dann besann er sich auf seine Fähigkeiten und räusperte sich. «Ja», entgegnete er klar und deutlich, «das kann ich.»
    «Gut.» Ludwig XIV. schenkte ihm ein liebenswürdiges Lächeln und trat näher. Während Duparcmieur den Kopf neigte, hielt Corradino dem Blick des Königs stand. «Wenn ich mit Euch zufrieden bin, werde ich Euch reich belohnen. Solltet Ihr mich jedoch enttäuschen, dann werdet Ihr sehen, dass ich ebenso gnadenlos sein kann wie Eure venezianischen Herrscher mit ihrer drakonischen    Rechtsprechung.» Der Herrscher machte kehrt und ging zurück zu seinem Thron. Dabei trat er absichtlich in den Hundehaufen.
    Bevor sich die großen Türen hinter Corradino und Duparcmieur schlössen, konnte der Glasbläser gerade noch einen Blick auf den königlichen Seidenschuh werfen, an dessen Sohle die Hundescheiße klebte.
    In der Kutsche zeigte sich Duparcmieur überraschend gut gelaunt. «Der König schien zufrieden mit Euch zu sein! Das ist alles ganz vorzüglich gelaufen!»
    Corradino schwieg verblüfft.
    «Findet Ihr nicht auch, dass er der großartigste Monarch der Welt ist?»
    «Wie Ihr sicher wisst, beschränkt sich meine Erfahrung mit Monarchen auf diese eine Audienz, Aber ich muss zugeben, dass der König wirklich eine ... beeindruckende ... Art hat.»
    In Wahrheit ist der Herrscher Frankreichs ein widerlicher Kindskopf. Doch es wäre äußerst undiplomatisch und vermutlich sogar gefährlich, meine Meinung offen auszusprechen.
    «Ich fand ihn ganz bezaubernd. Heute schien er in besonders guter Stimmung zu sein.»
    Ich hoffe nur, dass ich ihn nie in schlechter Stimmung erleben muss.
    Duparcmieur beugte sich ein wenig vor und fuhr in geschäftsmäßigem Ton fort: «Und jetzt bringe ich Euch zu Eurem Quartier in Trianon. Ich bin sicher, es wird Euch gefallen. Dort liegt auch Arbeitskleidung für Euch bereit. Wenn Ihr mit dem Umkleiden fertig seid, fahre ich mit Euch zum Schloss von Versailles. Bestimmt wird es großen Eindruck auf Euch machen, denn es sieht jetzt schon großartig - außergewöhnlich - aus. Obgleich Ihr heute ja schon viel Außergewöhnliches gesehen habt...»    Corradino nickte grimmig. Er hatte einen außergewöhnlich eigenwilligen König gesehen. Angesichts der Doppelgesichtigkeit des Herrschers war ihm eine Befürchtung gekommen, die er unbedingt ansprechen musste, auch wenn es nicht ungefährlich war. «Duparcmieur, verzeiht, aber woher soll ich wissen, ob ich Eurem - dem König trauen kann? Wie kann ich sicher sein, dass Ihr Leonora wie versprochen zu mir bringt und dass Ihr mich nicht einfach tötet, wenn ich Euch meine Geheimnisse verraten habe?»
    Duparcmieur schaute ihn mit offenem Blick an. Entweder liegt vollkommene Ehrlichkeit darin - oder die Gerissenheit eines routinierten Lügners, dachte Corradino.
    «Ihr habt mein

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