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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Konzils. Der Kardinal ist … Ich will sagen, er liegt dem Heiligen Vater besonders am Herzen.« Er schlug die Augen wieder auf. »Ich muss dir nicht sagen, welche Möglichkeiten sich für dich auftun – falls du Erfolg hast.«
    Dieses »falls« löste sich wie ein Schuss, prallte von der Decke ab, schlug gegen Wand und Boden, flog durch den ganzen Raum und drohte, Sandro jederzeit zu treffen.
    Madruzzo sagte: »Du wirst zum Visitator berufen.«
    »Dieses Amt ist mir unbekannt, Exzellenz.«
    »Der Heilige Stuhl hat es erst kürzlich geschaffen, mein Sohn. Eigentlich ist es noch inoffiziell. Visitatoren sollen nach den Vorstellungen des Papstes künftig kontrollieren, ob in den Diözesen alles mit den rechten Dingen zugeht oder ob sich Geistliche irgendwelcher Verfehlungen schuldig machen. Einige Visitatoren bekommen allerdings – wie soll ich es formulieren – besonders heikle Aufgaben zugeteilt, Aufgaben, die einen eher weltlichen Charakter haben. Die Untersuchung eines mysteriösen Mordes ist so eine Aufgabe. Du unterstehst ab jetzt direkt dem Heiligen Vater, mein Sohn. Deine Kompetenzen ähneln denen eines Inquisitors: Du hast die Vollmacht, jeden zu befragen.«
    Sandro schwindelte ein wenig. Das ging alles ziemlich schnell, zu schnell für ihn. Außerdem hatte er Inquisitoren nie leiden können, und nun war er selbst einer – fast jedenfalls.
    »Ich bin verpflichtet, Exzellenz darauf aufmerksam zu machen, dass Jesuiten grundsätzlich keine Ämter außerhalb des Ordens übernehmen.«
    »Ich weiß«, sagte Madruzzo mit einer Stimme, die sein ganzes Unverständnis für eine solche Regelung erkennen ließ, die jede Karriere innerhalb der Kirche unmöglich machte. »Ich werde den Heiligen Vater bitten, deinem Ordensgeneral Ignatius von Loyola die besonderen Umstände zu erklären. Ich bin sicher, er wird in diesem Fall eine Ausnahme machen.«
    Die Handbewegung des Fürstbischofs unterstrich, dass alles gesagt war.
    Sandro verneigte sich und ging zur Tür. Als er sie schon geöffnet hatte, fiel ihm Matthias ein, also schloss er die Tür noch einmal und wandte sich um.
    Matthias! Eine plötzliche Wut, die er schon lange nicht mehr gespürt hatte, überkam ihn wie ein Regenschauer. Die Vergangenheit war ein Samen, der auch durch Jahre der Trockenheit nicht totzukriegen war. Nur ein paar Tropfen, eine kurze Begegnung, hatte genügt, den Sandro anderer Tage wiederzubeleben.
    »Ja, Bruder Carissimi?«, fragte Madruzzo etwas lahm und müde wie jemand, der sich auf sein Mittagsschläfchen freut. »Was ist denn noch?«
    Sandro stellte fest, dass er nicht mehr Sohn oder Sandro, sondern immerhin schon Carissimi war, das erste Zeichen seiner neuen Autorität. Das bestärkte ihn in seinem Vorhaben.
    »Exzellenz, mich interessiert, wer heute Morgen bei Euch zur Audienz war, und weshalb.«
    Diese Frage brachte Madruzzo dazu, seinen Rücken, der an der Lehne des Sessels wie festgeklebt schien, nach vorn zu beugen.
    »Das geht doch wohl nur mich etwas an. Diese Frage ist eine Anmaßung, Bruder Carissimi.«
    »Gewiss ist sie das, Exzellenz. Und dennoch ein Recht. Sagtet Ihr nicht, ich dürfe jeden befragen?«
    Cristoforo Madruzzo verschlug es die Sprache. Er erhob sich und wankte einige Schritte auf Sandro zu.
    Sandro wurde plötzlich warm, sogar mehr als warm. Das Blut schoss ihm in den Kopf, und seine Knie schienen aus Butter zu sein. Er hätte das nicht fragen dürfen! Was war nur in ihn gefahren!
    »Zuerst Luis de Soto«, antwortete Cristoforo Madruzzo widerwillig. »Ich habe ihm den Tod des Bischofs mitgeteilt und mich nach dir erkundigt. Und schließlich habe ich Matthias Hagen in der Stadt willkommen geheißen. Er ist der Gesandte des Herzogs von Württemberg, ein Protestant. Beim Konzil wird er ein Hauptvertreter – der Hauptvertreter – der lutherischen Seite sein. Ein kluger Kopf, wie es heißt. Er wird es Eurem Lehrer nicht leicht machen, Bruder Carissimi.«
    Sandro hätte sich darüber freuen können, dass Matthias der direkte Gegner von Luis, des unschlagbaren Luis, wäre, und dass Matthias unterliegen würde und als Geschlagener nordwärts über die Alpen ziehen müsste.
    Aber alles, was Sandro fühlte, war ein Gewicht auf seiner Brust.
    Sandros Blick streifte durch den Dom, entdeckte aber niemanden, zumindest keinen, den er kannte oder der seine Aufmerksamkeit fesselte. Vier Mönche eines ihm unbekannten Ordens rutschten, halb kniend und halb liegend, auf den Altar zu, so als näherten sie sich einer Beute, und

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