Die Glasprobe und andere zerbrechliche Geschichten
afrikanischer Elefant, eine Schnecke, eine Riesenschildkröte, eine Gans und ein Schmetterling genannt, in jedem Fall aber fand der König gewichtige Gründe, die Vorschläge abzulehnen.
„Was lasse ich mich überhaupt auf diesen Zauber ein?“ rief er schließlich, als sein knurrender Magen und das Tellergeklapper in den Schloßgängen das Nahen der Mittagsstunde signalisierten. „Das Kulturprogramm fällt aus!“ Schon wollte der gepeinigte Narr seinem Herrn dankbar die Hände küssen, da schrie die Prinzessin wie am Spieß: „Du bist gemein! Ich will auf meiner Feier einen Witz haben! Ich will! Ich will! Versprochen ist versprochen!“ „Gut“, sagte der König schlaff. Mit einer kaum sichtbaren Handbewegung beorderte er den Narren an seine Seite und hauchte ihm zu: „Im Prinzip haben wir uns ja wohl verstanden. Keine Anspielungen! Keine Beleidigungen! Kein doppelter Boden! Dafür jede Menge Spaß. Nun mach dich ans Werk und laß dir etwas einfallen!“
Der Narr verließ den Ballsaal, ging in seine Kammer, warf dort ärgerlich Seine Dienstbekleidung, die Schellenkappe, in eine Ecke, zog einen Freizeittrainingsanzug an und dachte über seinen Auftrag nach. Dabei seufzte er schwer und grämte sich insgeheim zum einhundertsiebenunddreißigsten Mal über seine Berufswahl. Schließlich ist es nicht ganz einfach, der größte Narr der Welt zu sein und dabei auch noch ein wenig Selbstachtung und Narrenfreiheit zu bewahren. „Ich kündige! Ich lasse mir das nicht länger gefallen!“ rief er in seinem Zorn. Doch dann siegte wieder die Liebe zum Beruf. Der Narr setzte sich brav an seinen Schreibtisch, schlug „Brehms Tierleben“ auf, nahm einen Kugelschreiber zur Hand und zog ein Blatt Papier hervor.
Die Tage vergingen wie im Fluge, und das große Fest kam heran.
Am frühen Nachmittag fuhren vor dem Schloß drei schmucke Karossen vor, sie brachten die ausgewählten Gäste herbei: den Fürsten Frieder aus dem Südreich, aus dem Ostreich den Grafen Gernot und aus dem Westreich den Prinzen Petermann. Edelmann Ehrenfried, das sei der Vollständigkeit halber erwähnt, kam mit einer guten Stunde Verspätung auf seinem fußlahmen Roß dahergeritten.
Der Palast des Königs präsentierte sich königlich dekoriert. Vereinzelte Wasserflecke im Gemäuer hatte man tags zuvor behelfsmäßig übermalt, den schadhaften Zaun verdeckte eine Gruppe fröhlich jubelnder Höflinge, farbige Fähnchen flatterten im Wind. Über dem Tor verkündete eine Losung: „Wir grüßen unsere hohen heiratswilligen Gäste!“
Auch sonst war alles vorbereitet, wie es der Herrscher auf jener denkwürdigen Dienstbesprechung angeordnet hatte: Der Schneider hatte die Königsfamilie in kostbare, purpurfarbene Kleider gehüllt. Der Koch hatte drei Tage und drei Nächte ununterbrochen die Tiegel und Pfannen geschwungen und außerdem den leckersten Schokoladenpudding seiner Laufbahn gekocht; wer sich für die Zutaten interessiert: vier Beutel Puddingpulver, zwei Liter Milch, acht gehäufte Eßlöffel Zucker, zwei Eigelb, zudem feingehackte Nüsse und geraspelte Schokolade.
Im Schloß wurde gegessen, getrunken, gescherzt und getanzt, daß es dem König den roten Stolz in die Wangen trieb. „Ich bin außerordentlich zufrieden“, erklärte er und heftete seinem Zeremonienmeister gönnerhaft einen goldfarbenen Orden an die Brust.
Die Königin saß glücklich auf ihrem Stuhl und ließ sich von den Gästen bewundern und umschmeicheln. Die Prinzessin indessen wußte gar nicht, welchem der Freier sie den Vorzug geben sollte und wer von ihnen als Tanzpartner -die Prinzessin war eine leidenschaftliche Tänzerin - das meiste Lob verdiente: Edelmann Ehrenfried für seinen Walzer, Fürst Frieder für seinen Foxtrott, Graf Gernot für seinen Tango oder Prinz Petermann für seinen Rock’n’ Roll.
In der Tanzpause zwischen Abendbrot und Feuerwerk trat der Zeremonienmeister in die Mitte des Ballsaales, strahlte mit seinem neuen Orden um die Wette und verkündete: „Es steht nun ein weiterer Höhepunkt des Tages bevor - unser Kulturprogramm!“
Huldvoll gab der Herrscher seine Zustimmung.
„Das wird gewiß ein Erlebnis“, flüsterte Graf Gernot seinen Mitbewerbern um die Prinzessin zu. „Der hiesige Narr gilt in Fachkreisen als Geheimtip.“
Erwartungsvoll setzten sich die Herren in ihren Sesseln zurecht.
Der Hofnarr trat auf das Parkett, verneigte sich knapp und korrekt vor den Anwesenden und sagte: „Ich bitte um freundliche Aufmerksamkeit für einen
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