Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
Luft so heftig aus, dass sie einen Hustenanfall bekam, dann glitt sie rasch von den Knien ihrer falschen Tante.
Lily stand ebenfalls auf. »Danke, dass du so ehrlich warst«, sagte sie etwas mürrisch.
Ein Moment ungemütlichen Schweigens folgte und wurde erst unterbrochen, als Nella und Basil in die Küche gerannt kamen und herumtobten, so dass Töpfe und Pfannen zu rasseln begannen.
»Mrs Carlson ist vor ihrem kleinen Fernseher eingeschlafen«, sagte Basil, den man vor lauter Tollerei kaum verstehen konnte.
»Hört auf herumzutoben, Kinder«, sagte Rose.
»Geht nicht!«, rief Basil. »Ich bin so lang auf dem Trampolin gehüpft, dass ich nicht aufhören kann! Ich brauch was zu essen, damit mich das Gewicht runterdrückt!«
»Was wollt ihr denn essen?«, fragte Lily.
Basil wollte gerade antworten, da wurde er von Nella unterbrochen. »Schnecken!«, rief sie.
»Igitt!« Basil ließ sich auf den Boden fallen, wo er sich krümmte und drehte und Würgegeräusche machte. Rose wusste, dass seine Angst und sein Ekelgefühl nicht übertrieben waren und dass er sich fast übergeben musste, wenn Schnecken überhaupt nur erwähnt wurden.
Auch Lily wirkte etwas angeekelt. »Sie will Gartenschnecken?«, fragte sie vorsichtig.
»Nein«, sagte Rose, »sie will Weinbergschnecken auf französische Art. Wir müssen in Pierre Guillaumes französisches Bistro gehen.« Rose kannte dieses wöchentliche Ritual bereits. Es war seltsam, dass eine Dreijährige solche Lust auf Schnecken hatte, aber seit Nella zum ersten Mal eine von den gummiartigen, knoblauchgetränkten und buttertriefenden Schnecken gekostet hatte, war sie nicht mehr zu halten. »Nella muss einmal pro Woche Schnecken haben, sonst wird sie ganz unleidlich.«
Lilys Gesicht leuchtete auf. »Ein französisches Bistro?«, rief sie und sprach das
r
in
Bistro
aus wie eine Französin – fast kratzend. »Ich bin dabei!«
Dann bemerkte Tante Lily Basil, der sich vor Ekel immer noch auf dem Boden krümmte. »Was machen wir mit Basil?«
Rose strich ihm über den lockigen, roten Haarschopf. »Basil setzt sich ans andere Ende des Tisches und sieht nicht hin.«
Rose ging in ihr Zimmer und zog ihr Lieblingskleid an. Es war schlicht und blau und hatte einen Rock, der praktisch unter dem Kragen anfing. So richtig hübsch fand sie sich zwar nicht – ihre Augenbrauen waren zu dunkel, ihre Nase zu stupsnasig – aber in diesem Kleid kam sie sich zumindest etwas hübscher vor. Hübsch-lich.
Dann half sie Nella dabei, ihr schmutziges rot-weiß gestreiftes T-Shirt abzulegen, das sie jeden Tag trug, und zog der Kleinen ihr frisch gewaschenes rot-weiß gestreiftes Ersatzhemd an, das Albert und Polly immer bereithielten, falls Nella einmal vorzeigbar aussehen musste. Nella bestand darauf, ihre Polaroidkamera mitzunehmen.
Währenddessen ging Tante Lily nach unten, um ihre Garderobe in ihrem scheinbar unerschöpflichen Koffer zu sichten, und kehrte als waschechte Pariserin zurück. Sie trug ein blau-weiß gestreiftes T-Shirt und eine schwarze Baskenmütze, die ihr gefährlich schief auf dem Kopf saß. Chip trug das Hemd, das er immer trug, und Basil hielt es für angemessen, das weite blaue T-Shirt anzulassen, das er schon den ganzen Morgen durchgeschwitzt hatte. Alles in allem sahen sie okay, wenn auch nicht gerade umwerfend aus.
Mit Ausnahme von Tante Lily, die selbst in einem Jutesack umwerfend ausgesehen hätte.
Tante Lily setzte eine schicke Sonnenbrille auf und reckte beide Arme hoch in die Luft. »Dann mal los! Die Bäckerei bleibt für heute geschlossen, und wir machen einen Tag Ferien!« Wie es schien, konnte sie aus jedem Anlass einen Feiertag machen.
Rose und Lily nahmen Nella bei den Händen und schaukelten sie auf dem Weg zum Marktplatz wie einen kleinen Orang-Utan vor und zurück, Chip und Basil trotteten hinterher.
Rose sah zu ihrer Tante hinüber, die das Gesicht der Sonne zugekehrt hatte und jede Sekunde des Tageslichts so sehr zu genießen schien wie andere einen Vanillepudding.
»Weißt du, wie ich mich gerade fühle, Rose?«, fragte Lily lächelnd.
Rose schüttelte den Kopf.
»Ich fühle mich
insouciant
.« Lily zog das fremdländisch klingende Wort auseinander wie einen Kaugummi:
innnnn…sssuuu…sssiiie…annnnttt.
»Weißt du, im Französischen heißt
souci
Sorge. Daher heißt
insouciant
so viel wie
ohne Sorge
, unbekümmert. Ich bin ganz unbekümmert! Ist das nicht herrlich?«
Chip, der zwei Meter hinter ihr ging, mischte sich ein. »In dem Fall fühle
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