Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
dem
Weg
!«, brüllte Chip, klemmte sich Nella unter den einen und Basil unter den anderen Arm und rannte davon. Die Einwohner verteilten sich nach rechts und nach links, dann krachte der Turm auf den Platz und fiel mit einem metallischen Scheppern vor dem Bistro in sich zusammen.
»Neeeiiin!«, rief Pierre Guillaume, schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
Rose spürte, wie ihr jemand auf die Schulter tippte. Sie drehte sich um und sah Tymo, der sich mit einer Hand durch die Haare fuhr, um seine Frisur mit sicherem Griff in die angemessene Unordnung zu bringen.
»Was ist denn hier los?«, murmelte er, wenig beeindruckt von dem Durcheinander. »Als ich nach meinem Nickerchen runtergekommen bin, waren alle verduftet.« Tymo trug Jeans, die fast gar nicht zerknittert waren, dazu ein langärmeliges dunkelblaues Hemd.
»Ich muss mit dir reden«, flüsterte Rose und zog Tymo in Richtung Brunnen. »Mr Bastable und Miss Thistle sind beide komplett durchgedreht. Mr Bastable ist den falschen Eiffelturm raufgeklettert und hat Miss Thistle seine Liebe gestanden, und Miss Thistle konnte nicht anders und hat ebenfalls eine Liebeserklärung abgegeben. Die Mischung aus
Liebesmuffins
und
Wahrheitsplätzchen
ist tödlich! Wir müssen uns überlegen, wie wir das wieder beheben können, jetzt sofort, ehe Tante Lily was merkt und vor allem ehe Mom und Dad Wind davon bekommen, dass die ganze Stadt verrückt spielt!«
Tymo schluckte. »Oje.«
»Was machen wir nur?«, fragte Rose und verdrehte die Augen.
»Es kommt vielleicht noch schlimmer«, sagte Tymo zögernd und sah sie verlegen an. »
Möglicherweise
habe ich die übrigen
Liebesmuffins
genommen und sie« – er zögerte und schluckte erneut – »an ein paar Mädchen aus meiner Klasse verteilt.«
Kapitel 10
Keine
Hinsetzen-und-Mundhalten-Brötchen
Die Leute auf dem Platz hatten genug gesehen – und so hatte sich die Menge, die sich wegen Mr Bastables luftiger Liebeserklärung versammelt hatte, wieder zerstreut. Ein paar alte Damen setzten sich auf den Sockel des Reginald-Calamity-Brunnens und redeten darüber, wie hübsch es doch wäre, wenn ein Mann wegen
ihnen
auf den Turm steigen würde, um seine Liebe zu gestehen. Ein paar Männer tranken Kaffee und regten sich darüber auf, dass Türme in
früheren
Zeiten nicht so nachlässig gebaut worden seien.
Lily und Chip standen vor Pierre Guillaumes Bistro neben der außen angeschlagenen Speisekarte und redeten darüber, was sie gerne essen würden. Und Pierre Guillaume war in Tränen aufgelöst, während ein lärmender, gelber Raupenkran die zertrümmerten Reste des Turmes in die Höhe hob und in einen rostigen, roten Müllcontainer fallen ließ.
Rose und Tymo standen im Schatten unter der Markise von Karen Publickson, Anwältin und Notarin, und versuchten einen Plan zu entwickeln, was nun zu tun war.
Durch das Fenster konnte Rose Ms Publickson sehen, die in aller Ruhe an ihrem Schreibtisch saß. Mit ihrem marineblauen Businessanzug und ihren schwarzen Haaren, die zu einem perfekten Knoten im Nacken geschlungen waren, sah sie sehr elegant aus. Vielleicht sollte ich Anwältin werden statt Glücksbäckerin, dachte Rose. Fehler von Anwälten haben eher selten zur Folge, dass alte Männer auf Türme klettern und die Hosen fallen lassen.
Rose hatte die Lippen vor Ärger so fest aufeinandergepresst, dass sie kaum sprechen konnte. »Tymo«, brachte sie schließlich heraus, »
warum
hast du den Mädchen aus deiner Klasse
Liebesmuffins
und
Wahrheitsplätzchen
gegeben?«
Tymo zuckte nur die Schultern. Er wirkte verdammt selbstgefällig.
Rose hatte gute Lust, ihm eine überzubraten. Allerdings war eines klar: Wenn
sie
die Gelegenheit gehabt hätte, Devin Stetson einen
Liebesmuffin
und ein
Wahrheitsplätzchen
zu geben, dann hätte sie ihm beides wohl schneller in den Mund gestopft, als er hätte
danke
sagen können.
Ehe Tymo etwas erwidern konnte, wurde das ruhige Summen, das von dem sonnendurchfluteten Platz ausging, von einem markerschütternden Schrei gestört. Es klang, als ob ein Mädchen überfallen würde, aber in der gesamten Geschichte von Calamity Falls war noch nie jemand überfallen worden, schon gar nicht im gleißenden Tageslicht und mitten auf dem Marktplatz.
Es war Lindsey Borzini. Sie kam auf die Kanzlei von Karen Publickson – oder besser gesagt, auf Tymo – zugerannt. »Da ist er!«, kreischte sie. »Da ist – da ist TYMO !«
Lindsey war die älteste Tochter von Mr Borzini, dem
Weitere Kostenlose Bücher