Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
ausgesucht hat, sollte man die Meinung sagen!«
Chip trat in den Verkaufsraum. Die Ader auf seiner Stirn pulsierte so sehr wie die Schallblase von einem quakenden Frosch. »
Ich
habe die Tapete ausgesucht«, knurrte er.
Lily stürzte hinter ihm herein. »Es ist eine sehr schöne Tapete, Chippy«, sagte sie. »Wenn man sich denn für eine Tapete entscheidet.« Sie wandte sich an Miss Karnopolis. »Ich selbst habe schon immer einen schönen Anstrich vorgezogen.«
Aber Miss Karnopolis achtete gar nicht auf Tante Lily – ihr war beim Anblick von Chip und seiner muskelbepackten Brust die Kinnlade heruntergefallen. »Meine Güte«, stammelte sie. »Ach du liebes Bisschen. Ach du Grundgütiger. Ach herrje!«
Chip schluckte und verdrückte sich rückwärts in die Backstube. »Nichts für ungut«, murmelte er, als die Schwingtür hinter ihm zuging.
Tante Lily verkniff sich ein Kichern, dann wandte sie sich wieder dem Drama zu, das da ablief. Irgendwie gelang es ihr, cool zu bleiben.
»Augustine! Was um Himmels willen ist in dich gefahren?«, flehte derweil Mrs Canterbury.
Miss Karnopolis beugte sich über den Ladentisch und zog Rose näher zu sich heran. »Rose, deine Haare sind doch hübsch. Du solltest damit zufrieden sein – früh genug werden sie dir ausfallen. Dein Gesicht allerdings ist nicht so hübsch wie das deines äußerst attraktiven Bruders Thymian. Was ich meine, ist das: Wenn Thymian ein Mädchen wäre, wäre er hübscher als du, und wenn du ein Junge wärst, würdest du nicht so gut aussehen wie Thymian.«
Rose war geschockt. Das war nämlich genau das, worüber sie sich manchmal beim Einschlafen insgeheim Gedanken machte – es war ihr aber nie in den Sinn gekommen, dass andere Leute das auch so empfanden. Schon gar nicht die geliebte Bibliothekarin aus der Grundschule.
Rose hüstelte und sagte: »Äh, vielen Dank.«
Tante Lily legte Rose die Hand beruhigend auf die Schulter. »Mach dir keinen Kopf, Süße«, sagte sie. »Du hast etwas, was Tymo nicht hat.«
Ehe Rose fragen konnte, was sie meinte, kamen elf verärgerte Bibliothekarinnen in die Bäckerei getrampelt. Die Glöckchen, die an der Türklinke hingen, fingen wie wild zu bimmeln an.
Die Bibliothekarinnen standen in kleinen Zweier- und Dreiergruppen herum und fingen an, über alles und nichts zu streiten. Mrs Hackett, die in Calamity Falls für die Romane zuständig war, und Mrs Crisp, die die Fachbücher betreute, schrien sich direkt vor dem Ladentisch um die Wette an.
»Du könntest doch keinen wissenschaftlichen Artikel richtig einordnen, selbst wenn du es versuchen würdest!«, schrie Mrs Crisp.
»Quatsch mit Soße!«, gab Mrs Hackett zurück.
So ging es weiter, und der Lärm im Verkaufsraum wurde unerträglich. Chip spähte besorgt über die Schwingtür.
»Ich bin sicher, sie sind heute alle nur mit dem falschen Fuß aufgestanden«, sagte Rose zu ihm, obwohl sie wusste, dass viel mehr dahintersteckte.
Mrs Hackett und Mrs Crisp zogen sich an den äußeren rechten Ladentisch zurück, auf dem Familie Glyck all die siebenstöckigen Sahnetorten aus eigener Fabrikation ausstellte – echte Spezialitäten des Hauses: Es gab Kokoscreme-, Ananas-, Schokoladen-, Bananen-, Möhren- sowie Erdbeertorte und einen sahnigen Turm mit Pekannüssen, den Polly schlicht
die Himmlische
getauft hatte. Die Torten standen auf weißen Porzellanständern und waren mit Glasglocken abgedeckt, die einen kleinen roten Griff zum Abnehmen hatten.
»Gib’s doch zu, Crisp«, sagte Mrs Hackett. »Du nimmst mich einfach nicht ernst! Nur, weil ich nicht so ein Fachbuch-Nerd bin wie du!«
Mrs Crisp rümpfte die Nase. »Lieber bin ich ein Fachbuch-Nerd als eine Expertin für
Schmonzetten!
«
Alle Mitglieder des Bibliothekarinnen-Bücher-Bundes hielten den Atem an und hörten zu streiten auf. Sie wandten sich Mrs Hackett und Mrs Crisp zu und beobachteten sie entsetzt.
»Was hast du gesagt?«, fragte Mrs Hackett mit unterdrücktem Knurren.
»Du hast ganz recht gehört«, erwiderte Mrs Crisp mit zitternder Unterlippe.
Mrs Hackett streckte den Arm aus, nahm die Glasglocke von der siebenstöckigen Kokoscreme-Torte, hob die Torte hoch und drückte sie Mrs Crisp ins Gesicht – alle sieben Schichten.
Mrs Crisp verschlug es wortwörtlich die Sprache. Ihre Augen und ihr Haar und ihr gesamtes Gesicht waren mit einer dicken Schicht von weißem Zuckerguss und Kokoscreme bedeckt. Sie leckte sich einen Klecks von den Lippen und sagte: »Ich hasse Kokos.«
Dann gab es
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