Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
Lily, mir ist es ganz recht so«, sagte Rose. »Du bist diejenige, die nichts hat.« Rose streckte ihr die Hand hin. »Jetzt gib mir den Schlüssel.«
Mit abfälligem Grinsen nahm Lily den Schlüssel ab und ließ ihn in Roses ausgestreckte Hand fallen. »Selbst schuld«, sagte sie kalt.
Und dann schnallte Tante Lily ihren Tweed-Handkoffer und die Reisetasche auf das Motorrad und fuhr rasch davon.
Beim Aufheulen von Lilys Motor und dem Geräusch quietschender Reifen kamen Tymo und Basil mit Nella nach unten gerannt. »Ist Tante Lily gerade abgefahren?«, fragte Basil. »Warum hat sie sich denn nicht verabschiedet?«
»Sie hatte es eilig«, sagte Rose. Sie musste heimlich lächeln. Dann legte sie die Arme um ihre Brüder, sah zu Nella hinunter und sagte: »So, dann lasst uns mal Frühstück machen.«
Eine halbe Stunde nach Lilys Abreise fuhr eine Karawane schwarzer gepanzerter Limousinen in die Einfahrt, und Pollys hoher Sopran schallte in den Garten wie eine Weihnachtsglocke. »Kinderlein! Wir sind zurück. Kennt ihr uns noch?«
Albert und Polly stürzten durch die Hintertür in die Küche, und Nella hüpfte und kicherte und warf sich ihrem Vater in die ausgestreckten Arme.
Polly zog Rose an die Brust und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. Als Rose das weiche Baumwollkleid ihrer Mutter spürte, von ihren wilden Locken gestreift wurde und den Duft nach Honig und Mehl und Fett auf ihrer Haut roch, konnte sie überhaupt nicht mehr fassen, auch nur eine Sekunde erwogen zu haben, ihre Familie zu verlassen. Oder jemals ohne sie leben zu können. Und sie schwor sich, dass sie niemals einer Seele erzählen würde, dass sie – für einen kurzen Augenblick! – zugestimmt hatte, mit Tante Lily zu gehen.
»Oooh, ich bin so, so, so froh, dich zurückzuhaben, mein Schätzchen!«, sagte Polly und küsste Rose immer wieder auf die Stirn wie ein hungriger Specht, der einen Baum abklopfte.
Albert setzte Nella wieder ab und umarmte Basil und Tymo. »Meine Jungs!«, sagte er.
Mrs Carlson kam die Treppe herunter. Sie trug ihren Koffer und sah ein paar Jahrzehnte älter aus als bei ihrem Eintreffen. »Na, dem Himmel sei Dank, dass Sie wieder da sind! Es ist ein Wunder, dass ich noch am Leben bin! Ich bin noch fix und fertig von den ganzen Possen!« Mrs Carlson drängte sich durch die Schwingtür und rief über die Schulter in die Küche: »Sie haben sonderbare Kinder! Aber das hier ist ja auch eine sonderbare Stadt! Ich ziehe wieder zurück nach Glasgow, wo keiner rückwärts spricht. Keiner!«
Polly sah Rose fragend an. »Wovon redet sie?«
»Ach, sie macht nur Witze.«
Jetzt erst fiel Rose auf, dass Janice Hammer schon die ganze Zeit in der Küche stand. Mit verschränkten Armen und eindringlichem Blick betrachtete sie die liebevolle Familie.
Dann verkündete sie: »Eure Eltern sind Helden!«
Basil hüpfte aufgeregt auf und ab. »Habt ihr die Grippe in den Griff gekriegt?«
Bürgermeisterin Hammer räusperte sich. »Sie haben nicht nur die Grippe in den Griff bekommen, sie haben auch ein paar Fälle von Kurzzeit-Gedächtnisverlust und einige gebrochene Herzen geheilt. Als ob ihre Croissants Zaubergebäck wären!« Sie stieß ein nervöses, bellendes Lachen aus, das alle zusammenfahren ließ. »Zauber! Ha! Aber ihre Croissants hatten etwas an sich, das … Wunder zu bewirken schien.« Bürgermeisterin Hammer riss sich zusammen. »Deshalb haben wir ihnen den Schlüssel zur Stadt überreicht.«
Albert hielt etwas hoch, was er um den Hals hängen hatte. Es war ein sechzig Zentimeter langer gelber Schlüssel aus Pappe, um den ein rotes Band gewickelt war.
»Was kann man damit aufschließen?«, fragte Basil aufgeregt. »Das Rathaus? Können wir dort ein Fest feiern?«
Bürgermeisterin Hammer sah Basil blinzelnd an. »Nichts kann man damit aufschließen! Er ist ein Symbol für unsere Dankbarkeit und Anerkennung.«
Basil machte ein abfälliges Geräusch. »Anerkennung, aha? Das ist ja schön und gut. Aber ich würde dort zu gerne meinen zehnten Geburtstag mit dem Thema
Zirkus
feiern.«
Polly rettete die angespannte Situation, indem sie sich ihren Kindern zuwandte und trällerte: »Und? Wie ist es hier gelaufen?«
Rose setzte zur Antwort an, doch Bürgermeisterin Hammer ergriff das Wort, ehe Rose etwas sagen konnte. »So, das ist mein Stichwort. Die Familienangelegenheiten will ich nicht hören. Ich meine – ich will mich nicht länger
aufdrängen
.«
Sie verbeugte sich vor Albert und Polly und sagte: »Danke für alles.
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