Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung (German Edition)
glaubte wohl, dass es Rose um nichts anderes ging als um ihren Ruf. Er wusste eben nicht, dass das wichtigste Erbstück ihrer Familie und das Wohl und Wehe ihrer geliebten Stadt ebenfalls auf dem Spiel standen.
Lily trat am Bühnenrand zu Rose. »Glückwunsch«, sagte sie durch die zusammengebissenen Zähne. Sie warf einen Blick in die Runde, um sicher zu sein, dass die Mikrophone ihre Worte nicht auffangen würden, beugte sich vor und raunte Rose ins Ohr: »Morgen
zermalme
ich dich.« Lily sah wie ein Filmstar aus und duftete wie eine Königin, doch sie klang wie eine Killerin.
Als sie die Drohung ihrer Tante vernahm, war es Rose, als würden ihr eiskalte Finger über den Rücken fahren. Sie wich zurück und sah in den Augen ihrer Tante blanke Wut, aber hinter der Wut auch noch … vielleicht einen Anflug von Angst? Immerhin hatte Roses einfaches Bananenbrot die spektakuläre Torte ihrer Tante geschlagen – und das trotz ihrer Prise Geheimsubstanz.
Und da begriff Rose den Unterschied: Während sie selbst um das Backbuch kämpfte und darum,
Lilys Geheimsubstanz
zu verhindern, ging es Lily einzig und allein ums Gewinnen.
Und das brachte Rose auf eine Idee. Vielleicht konnten sie und Lily ja beide bekommen, was sie wollten. Rose war immerhin Siegerin des Tages – vielleicht hatte sie jetzt ja eine Art Druckmittel. Rose beugte sich vor, um Lily einen Kuss auf die Wange zu geben, dabei flüsterte sie. »Ich lass dich morgen gewinnen, wenn du versprichst, damit aufzuhören, deine Geheimsubstanz zu verkaufen – und mir das Backbuch zurückgibst.«
Lily lachte. »Jetzt begreife ich, warum du dich im letzten Moment gedrückt hast, mit mir nach New York zu kommen, Rose«, sagte sie. Sie drückte Rose die Hand etwas fester. »Du hast einfach nicht das, was nötig ist, um auf einer großen Bühne zu bestehen. Du hast einfach nicht den Mumm.«
Rose überlegte kurz. »Ich hab ziemlich Angst, das stimmt. Es steht so viel auf dem Spiel. Aber immerhin bin ich mutig genug, gegen dich anzutreten, ohne heimlich chemische Zutaten in mein Gebäck zu packen, damit die Leute mich mögen.«
Lily sah aus, als würde sie Rose am liebsten eine Ohrfeige geben. Da aber die Kameras zusahen, gab sie Rose stattdessen einen Kuss. »Lass uns doch beide einfach das machen, was wir am besten können, und abwarten, wer am Ende siegt«, flüsterte sie. »In Ordnung?«
Am Abend im Hotel machte Albert seine berühmten
Familien-Fajitas
: Er stellte Schalen mit saurer Sahne, Paprikaschoten und Zwiebeln, Tortillas, Guacamole, Bohnen und gegrillte Steakscheiben hin. Und jeder – einschließlich der Gäste Miriam und Muriel – ging um den Tisch und stellte sich seine
Fajitas
selbst zusammen. Ausgeklinkt hatten sich nur Jacques, der an einem Stück Edamer nagte, das so groß wie er selbst war, sowie Gus, der als runde Fellkugel auf dem Sofa döste, und Nella, die über das Selbstbedienungs-Büfett die Nase rümpfte, was seltsam war, denn
Familien-Fajitas
waren sonst ihr Lieblingsessen.
Doch das war nicht mehr so, seit sie
Lilys Geheimsubstanz
zu sich genommen hatte. »Ich esse doch kein Steak, das zu einem Hotdog aufgerollt ist, nee danke«, sagte sie patzig.
»Für dich habe ich ohnehin etwas viel Besseres«, sagte Polly und kam mit einem Stück Kuchen auf einem Teller aus der Küche. »Mund auf!«, befahl sie.
Nella verdrehte die Augen, sperrte jedoch brav den Mund auf, und Polly stopfte ihr das Stück Kuchen hinein.
»Das sollte wirken«, sagte Polly. »Das ist ein
Anpassungs-Muffin
! Ich habe ihn auf Nellas ursprüngliche Persönlichkeit abgestimmt, damit sie zu der wird, die sie war, ehe sie
Lilys Geheimsubstanz
gegessen hat. Es ist zwar kein
Alles-Rückgängig-Schichtpudding
, aber er sollte seinen Zweck erfüllen.«
Nella rülpste geziert, dann sagte sie mit Pollys Stimme: »Das ist ein
Anpassungs-Muffin
«. Sie schnaubte und wiederholte den Satz.
Rose und Tymo sahen sich verblüfft an. So etwas Seltsames hatte Rose noch nie gesehen – oder gehört. Als ob die Stimme ihrer Mutter in Nellas Mund gehüpft wäre.
»
So
sollte der Kuchen eigentlich nicht wirken«, sagte Polly.
»Unfassbar!«, sagte Miriam staunend.
»Unfassbar!«, machte Nella sie nach.
Albert fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Na super.«
»Na super!«, wiederholte Nella mit Alberts tiefer Stimme. Dann lachte sie los.
»Das reicht, Fräuleinchen!«, sagte Albert. »Mit dieser neuen Fertigkeit von dir beschäftigen wir uns später. Aber zuerst …« Er
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