Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung (German Edition)
hüpften.
Wei Wen rückte seine Brille zurecht und stand stolz neben seiner Kreation. Er hatte
Notre Dame
nachgebildet. Die Kathedrale aus Schokolade war einen Meter fünfzig hoch und zwei Meter breit.
Rose sah auf ihre schlichte Scheibe Bananenbrot hinunter. Tja, dachte sie, vielleicht ja doch nicht.
Marco schob Lilys
Soprano-Hochzeitstorte
und
Roses Unübertreffliches Bananenbrot
ohne Umstände auf Jean-Pierres Tisch zu, doch für Wei Wens Schokoladen-
Notre-Dame
brauchte er mehr Geschick. Vorsichtig rollte er sie über den schwarz-weiß gefliesten Gang. Bei jedem noch so winzigen Wanken stöhnten die Zuschauer angstvoll auf. Als Marco die Kathedrale schließlich vor Jean-Pierre abstellte, atmete der gesamte Saal mit Ausnahme von Rose erleichtert auf.
Jean-Pierre Jeanpierre wandte sich zuerst Lilys
Soprano-Hochzeitstorte
zu.
»Mon dieux!«,
stieß er hervor und starrte den Anschnitt der Torte staunend an. »Ein Bild mit Tauben und Einhörnern, erschaffen aus Biskuit und Mousse! So etwas habe ich noch nie gesehen!«
Jean-Pierre stieß mit seiner Gabel in das Kunstwerk und probierte es. »Es ist …« Er verstummte. »Es ist …«
Rose bemerkte, wie sich die Augen des Meisters verschleierten, und seine Stimme leicht roboterhaft wurde. »Wie unglaublich süß«, sagte er. »Wie um alles haben Sie das ohne Zucker geschafft, meine liebe Lily? Sie sind die Königin der Süßigkeiten.«
Die Kameras folgten Jean-Pierre, der seine Aufmerksamkeit jetzt der Nachbildung von
Notre Dame
zuwandte. Der Meisterkonditor fiel auf die Knie und fing zu weinen an. »Die reinste Perfektion!«, rief er. »Warum, o warum nur bin ich nie darauf gekommen, eine Schokoladenkathedrale zu machen?«
Der große Konditormeister erhob sich wieder und nahm eine Gabel voll von dem Turm, auf dem Rose und ihre Brüder vor genau elf Stunden mit den Gargoyles getanzt hatten. Jean-Pierre Jeanpierre schloss die Augen und ließ den Bissen auf der Zunge zergehen. »Sensationell«, flüsterte er, während ihm die Tränen über das Gesicht liefen.
Ich bin erledigt, dachte Rose.
Schließlich folgten die Kameras Jean-Pierre über den Tisch zu Roses Teller. Der Meisterkonditor blickte mit gerunzelter Stirn auf die Scheibe Bananenbrot.
»
Mademoiselle
, verzeih mir; ich bin verwirrt«, sagte er. »Wo ist das Backwerk?«
Rose deutete verlegen auf die Scheibe des goldgelben Brotes. »Das ist es.«
»Aber was ist das Besondere daran?«, fragte Jean-Pierre und stach mit der Gabel in die Scheibe. »Kann es singen? Kann es fünf Sprachen sprechen? Kann es sich in ein imposanteres Backwerk verwandeln?«
Rose schüttelte den Kopf, und Jean-Pierre nahm widerstrebend einen Bissen von dem
Unübertrefflichen Bananenbrot
. Er schloss die Augen, schluckte und ging ohne ein weiteres Wort an sein Mikrophon.
Tymo tätschelte Rose die Schulter. »Wahrscheinlich hätten wir die
Golden-Gate-Brücke
aus Pralinenmasse oder so was nachbilden müssen«, sagte er.
Jean-Pierre Jeanpierre klopfte an sein Mikrophon. »Das Urteil war in einer Hinsicht schwierig, in anderer auch leicht. Den Sieger zu ermitteln war ein Kinderspiel. Denjenigen zu bestimmen, der ausscheiden würde, war fast unmöglich.«
Rose ließ den Kopf hängen. Immerhin war es Jean-Pierre nicht
leichtgefallen
, sie nach Hause zu schicken.
»Ich werde nun also die zwei Finalisten bekanntgeben: Auf Platz zwei ist heute …«
Rose hielt sich die Daumen.
»… Lily Le Fay.«
Unter den Zuschauern brach Beifall los, während Lily sich zwang, etwas zu lächeln und zu winken.
»Nun die einfache Entscheidung. Gewinner der heutigen Herausforderung mit dem Thema ZUCKERLOS ist … Rosmarin Glyck!«
Die Menge zog hörbar die Luft ein. Roses Knie wurden zu Gummi, und sie musste sich an einer Bühnendekoration anlehnen.
»Ich weiß, dass es seltsam klingt«, sagte der Meisterkonditor, »aber mit einer schlichten Scheibe ihres
Unübertrefflichen Bananenbrots
hat diese junge Bäckerin die hochfliegenden Träume eines ehrgeizigen Back-Architekten zerplatzen lassen. Wei Wen, der Baumeister der Schokoladen-
Notre-Dame
, sollte nun das Expo-Center verlassen.«
Wei Wen fiel schluchzend auf die Knie, und der Südturm seiner Schokoladenkathedrale brach in sich zusammen.
»Da waren’s nur noch zwei«, fuhr Jean-Pierre Jeanpierre fort. »Zweifellos wird der morgige Tag der wichtigste im Leben dieser beiden Personen sein.«
Sie haben ja keine Ahnung, wie nah dies der Wahrheit kommt, dachte Rose. Jean-Pierre Jeanpierre
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