Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Molinari behaupten, dass Cleos Mann und Sohn von Mafiosi von der Westküste umgebracht wurden, wenn es jemand anders war?«, sagte ich.
»Die Leute haben Angst vor dem Mob. Er will ihr damit drohen, ohne dass es so aussieht, als hätte er etwas damit zu tun.«
Docs Antwort war so klar und logisch, dass ich an meinem eigenen Denkvermögen zweifelte.
Terry Withersponn hatte keine Erinnerungen, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Die Highschool war ein Ort gewesen, zu dem er morgens hinging und den er nachmittags wieder verließ, der ihm weder genutzt noch geschadet hatte. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass er nur schweigsam sein musste, wenn er von anderen nicht behelligt werden wollte; in der Schule war Schweigsamkeit ein Mittel, mit dem er praktisch unsichtbar wurde. Wenn er in eine schwierige Lage geriet, grinste er einfach, schleuderte sich die Haare aus dem Gesicht und ließ die anderen darüber rätseln, was ihm durch den Kopf ging. Die Lehrer taten so, als glaubten sie an die Bedeutung dessen,was sie lehrten, an Kunst und Geschichte, Naturschutz, Achtung vor den Mitmenschen, aber sie kauften genauso bei Wal-Mart ein wie alle anderen, während die Geschäfte ihrer Nachbarn zugrunde gingen. Seine Klassenkameraden sangen am Sonntag und am Mittwochabend in der Kirche, aber irgendwie wurden die Mädchen trotzdem schwanger. Er fragte sich, warum sie sich ununterbrochen einredeten, sie wären etwas Besseres.
Als er im vorletzten Jahr auf der Highschool war, war sein Vater, der Fahrräder reparierte und Rasenmäher schärfte, zweiundsiebzig, seine Mutter sechzig. Sie wohnten alle drei in einem kleinen Haus am Ende einer Gasse, hinter einem Kreditbüro, und hatten kein Auto. Auf der anderen Straßenseite war ein unbebautes Grundstück, auf dem die Schwarzen im Frühjahr Gärten anlegten. Terrys Mutter putzte oft mit Schwarzen in den Häusern anderer Leute, freundete sich mit ihnen an und arbeitete mit ihnen in ihren Gärten. Wenn sie abends heimkam, manchmal mit einer Papiertüte voller Gemüse, roch sie nach Schweiß und schmutziger Kleidung. Im Grunde roch sie genauso wie die Schwarzen, mit denen sie arbeitete.
Einmal biss sich ein kleines Mädchen an einer Luftgewehrkugel, die in einer frisch vom Feld geernteten Wassermelone steckte, einen Zahn aus. Eine Woche später wurde Terry auf dem Dach des Kreditbüros mit einem Gewehr erwischt.
Von den Besuchen in der Veteranenhalle einmal abgesehen, wo er jeden Samstagnachmittag zwei Bier trank, brachte Terrys Vater den ganzen Tag in seinem Schuppen zu, der voller Fahrradrahmen, Räder und schmaler Reifen hing. Er trug nur selten sein falsches Gebiss, sodass seine Wangen eingefallen waren und sein Gesicht runzlig und streng wirkte, obwohl er allem Anschein nach gar keine Gefühle hatte.
An dem Abend, an dem der Abschlussball der vorletztenKlasse stattfand, ging Terry in den Schuppen, um seinem Vater Bescheid zu sagen, dass das Abendessen fertig war.
»Wie heißt du gleich wieder?«, sagte sein Vater.
»Wie ich heiße? Ich bin Terry.«
»Wo ist mein Sohn? Er sollte mir helfen.«
»Ich bin dein Sohn.«
Der Vater musterte Terrys Gesicht. »Yeah, du siehst deiner Mutter ähnlich. Ihre Familie war auch immer so blass. Als wären sie in einem Rübenkeller eingesperrt gewesen«, sagte er.
Terry zog seinen neuen Anzug an, den er sich von dem Geld gekauft hatte, das er im Lebensmittelladen verdiente, ging zum Abschlussball und redete sich ein, dass er sich eigentlich gar nichts aus dem Ball machte; er ging nur hin, um zuzuschauen, wie die Stenze und die Schlaffis, die Trampel, die höheren Töchter und die Schlampen mit ihren hochgeschnallten Möpsen einander herumschubsten. Beim Tanzen stand er meistens allein herum, tat so, als wäre er beschäftigt, ging hinaus, um eine zu rauchen, lief durch den leeren Korridor zur Jungentoilette, rückte ständig seine Brille zurecht, zog die Mundwinkel hoch und machte eine Miene, die je nach Auslegung abfällig oder interessiert wirkte.
Dann forderte er ein Mädchen zum Tanz auf. Ihr Vater war Freimaurer und Immobilienmakler und verkaufte Leuten aus dem Norden Seegrundstücke in den Bergen, und die Familie wohnte in einem einstöckigen Ziegelhaus mit Gartenlaube, das auf einem Hügel über der Stadt lag. Sie war um die Taille und unterm Kinn etwas pummelig, sah aber niedlich aus mit ihrem Pagenkopf und den Ponyfransen, und im Gegensatz zu den anderen Mädchen, die aus reichen Familien stammten, hatte sie auf dem Flur immer
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