Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
bestimmt?«, sagte Cleo.
»Ja. Trotzdem danke. Ich kann Schusswaffen einfach nicht leiden. Konnte ich noch nie«, sagte Maisey, deren Blick leicht abwesend wirkte, als überlegte sie, wer oder was sie einst gewesen war. Der Wind zauste an ihren Haaren und zog graue Linien in ihre Kopfhaut. Sie schob die Hände in die Ärmel ihres Morgenmantels.
Ich ging zu dem Erdhügel hinab und half Cleo, die Dosen einzusammeln und in einer Papiertüte zu verstauen.
»Den Versuch war’s wert«, sagte ich.
»Sie braucht unbedingt einen guten Rechtsbeistand. Ich glaube, Doc hat keine Ahnung, was ihnen bevorsteht«, sagte sie.
»Unterschätzen Sie ihn nicht.«
»Wissen Sie, was Missbrauch eines Opfers ist?«
»Wenn ihr die Justiz das Ganze noch mal antut?«
Sie warf einen Blick zur Veranda, wo Doc und Maisey im Schatten saßen. Sie wandte sich zum Fluss hin, damit ihre Worte nicht zum Haus getragen wurden.
»Ich habe heute Morgen mit dem Sheriff gesprochen. Maisey hat Lamar Ellison auf den vorgelegten Fotos nicht wiedererkannt«, sagte sie.
»Was ist mit den Fingerabdrücken. Man hat überall in ihrem Zimmer Abdrücke gefunden«, sagte ich.
»Seine nicht. Er wurde heute Morgen aus dem Gefängnis entlassen. Man hat keine Anklage erhoben.«
Ich stieß den Atem aus und schaute zur Veranda. Doc streichelte eine gefleckte Katze. Er kraulte ihr den Kopf und setzte sie auf Maiseys Schoß.
»Ich wünschte, ich hätte Ellison ersticken lassen. Wenn ich daran denke, dass ich die Hand in seinen Mund gesteckt habe, möchte ich mich am liebsten von Kopf bis Fuß mit Desinfektionsmittel abschrubben«, sagte Cleo.
»Der Sheriff hat Doc noch nicht Bescheid gesagt?«
»Nein.«
»Warum wollte er es Ihnen zuerst sagen?«
Ihr Hals war gerötet, als hätte sie einen Windbrand. »Weil ich den Sheriff kenne, seit mein Sohn ermordet wurde. Weil Lamar Ellison ein Mitglied der Berdoo Jesters ist. Man hat sie in der Nacht, bevor mein Sohn umgekommen ist, auf dem Campingplatz gesehen.«
Sie lief zum Haus zurück, warf die Papiertüte mit den Büchsen in eine Mülltonne und ging dann zu ihrem Pick-up. Sie schnallte den Revolvergurt ab, warf ihn auf den Sitz und knallte die Tür zu, als wollte sie eine Auseinandersetzung beenden, die sie mit sich selbst austrug.
Ein paar Minuten später sah ich einen Jeep Cherokee, der vom Fahrweg abbog, Docs Viehgatter passierte und durch das Gras hinter dem Haus auf uns zukam. Der Cherokee hielt bei der Veranda, und Holly Girard stieg auf der Fahrerseite aus. Sie nahm eine abgedeckte Schüssel vom Sitz und ging auf die Treppe zu. Ein Mann, den ich nicht kannte, saß auf dem Beifahrersitz und hatte eine Kamera um den Hals hängen.
»Ich dachte, du hättest vielleicht Lust auf eine Portion echtes Cajun-Gumbo von Xavier«, sagte Holly.
»Sehr aufmerksam. Wo ist Xavier?«, sagte Doc.
»Sitzt in der Sauna, trinkt Eiswasser und schluckt Aspirin. Rate mal, warum«, erwiderte sie.
Sie trug dunkelrote Wildlederstiefel, eine maßgeschneiderte Khakihose und eine weiße Bluse, die sich im Wind bauschte und tief ausgeschnitten war. Sie hatte einen Safarihut auf, nahm ihn aber ab und warf ihre Haare zurück. Dann sah ich, wie der Fotograf aus dem Jeep stieg und hinunter zum Fluss ging, als wollte er bei diesem trauten Beisammensein nicht stören.
»Wir wollten Maisey mitteilen, dass sie eine Menge Freunde in Missoula hat«, sagte sie.
»Ja, das weiß ich«, sagte Doc. »Woher habt ihr erfahren, was hier vorgefallen ist?«
»Xavier ist mit dem Polizeireporter vom Missoulian befreundet«, sagte Holly.
»Xaviers Freund ist anscheinend geschwätziger, als er sein sollte«, sagte Doc.
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann sagte Holly: »Tja, soll ich das reinbringen?«
Ich hörte, wie Cleo hinter mir die Tür öffnete und auf die Veranda trat. Sie schaute zum Flussufer hinab und biss sich auf die Unterlippe.
»Ich habe auf dem Herd gerade was anbrennen lassen. Es riecht fürchterlich. Kommen Sie, ich bringe es rein«, sagte sie. »Wer ist unser Freund dort, der Mann mit der Kamera?«
Holly lächelte, ging zur Tür und drückte Cleo die zugedeckte Schüssel in die Hand, wandte das Gesicht schräg zur Seite, sodass die Sonne darauf fiel.
»Er macht eine Fotoreportage über den ›Holt euch die Nacht zurück‹-Marsch an der Universität. Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen, dass ich ihn mitgenommen habe«, sagte Holly.
Doc stand auf und steckte sich einen Kaugummi in den Mund. Er kaute darauf herum und kniff
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