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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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dem Ölgemälde standen, starrten mich mit versteinerter Miene an, wie Menschen, die unverhofft von einem Stroboskoplicht erfasst werden.
    »Nun seien Sie doch nicht so«, sagte Holly, deren Gesicht plötzlich ganz sanft wirkte.
    Mein Hals glühte vor Scham, als ich den Flur entlanglief und durch die Tür hinaus in die Nacht trat.
    Doc und ich setzten Cleo bei ihrem Auto vor der Eisdiele ab und fuhren dann den Blackfoot River hinauf zu seinem Haus. Nördlich von Potomac bogen wir vom Highway ab, rumpelten über die Holzbrücke und fuhren am Rande eines trockenen Bachbetts entlang, das weiß und staubig, mit schillernden Algenfäden überzogen, im Mondschein lag.
    Doc schaute mit zusammengekniffenen Augen durch die Windschutzscheibe.
    »Sieht aus wie ein Brand«, sagte er.
    »Wo?«
    »Zwischen den Bäumen. Siehst du’s?«, sagte er.
    »Nein«, erwiderte ich gereizt, betätigte den elektrischen Fensterheber an der Tür und ließ die Scheibe herunter. »Riechst du irgendwo Rauch?«
    »Nein«, sagte er.
    »Dann halt den Mund, Herrgott noch mal. Ich will dieses Weltuntergangsgeraune nicht mehr hören. Wenigstens fünf Minuten lang. Okay, Doc?«
    Wir kamen an dem Viehgatter vorbei und fuhren auf der von Reifenspuren gebahnten Piste durch die Wiese hinter dem Haus. Ich hatte Recht. Nirgendwo in der Umgebung brannte es. Aber Docs Hof stand voller Einsatzwagen, deren Blinklichter die Veranda, die Bäume, den mit Kies übersäten Uferstreifen und das zwischen den Felsblöcken dahinströmendeWasser in dunkelrote Glut tauchten, als wäre eine Schmiedeesse entfacht worden.

6. KAPITEL
    Ein paar Minuten später sah ich zu, wie die Sanitäter Maisey auf einer Bahre zum Heck eines Krankenwagens trugen und hineinschoben. Die Nachtluft war kühl, und die Sanitäter hatten eine Decke über sie gelegt und bis zum Kinn hochgezogen. Ihr Gesicht war abgewandt, aber ich sah die dunklen Male an ihrem Hals, die wie die Umrisse einer Hand wirkten. Ein Deputy-Sheriff, der Latexhandschuhe trug, brachte einen Plastikmüllsack aus dem Haus, der Maiseys Jeans, ihre zerrissene Bluse und die Unterwäsche enthielt.
    Doc stieg zu ihr in den Krankenwagen und warf mir einen Blick zu, wie ich ihn noch nie gesehen hatte.
    »Ich fahre hinter euch her«, rief ich.
    Er antwortete nicht. Ein Sanitäter schloss die Tür, worauf der Krankenwagen auf dem Hof wendete und durch die Wiese zum Tor fuhr. Der Motor war so leise, dass ich hörte, wie das Gras auf dem Feldweg am Unterboden des Krankenwagens entlangschabte.
    »Ihrem Freund geht’s heute Nacht ziemlich dreckig. Nehmen Sie’s ihm nicht übel, wenn er ein bisschen grantig ist«, sagte der Sheriff. »Aber ich sage Ihnen das Gleiche, was ich ihm auch schon gesagt habe. Sie können es ihm ja morgen früh noch mal erklären. Es waren drei Biker.«
    Er hielt mir drei Finger vor die Nase.
    »Irgendwie werden wir sie drankriegen. Das heißt, dass sich Ihr Freund um seine Tochter kümmert, während ich michdarum kümmere, dass dem Gesetz Genüge getan wird. Haben Sie mich verstanden?«, sagte der Sheriff.
    »Ja, durchaus, Sheriff. Mir macht dabei bloß ein bisschen zu schaffen, dass ich den Leuten, die einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind, den gleichen Unsinn erzählt habe, wenn mir klar war, dass die Täter womöglich davonkommen«, sagte ich.
    »Ich halte nichts von Ihren Umgangsformen, Mr. Holland, aber belassen wir’s mal dabei ... Wir haben mit dem Jungen geredet, der am frühen Abend bei ihr war. Die beiden haben Dr. Voss erzählt, dass sie ins Kino gehen wollten. Aber eigentlich hatten sie das gar nicht vor. Sie dachten, sie hätten sturmfreie Bude, sobald Sie und der Doktor weg wären. Aber irgendwann haben sie sich dann über irgendwas gestritten, und der Junge ist heimgefahren. ›Irgendwann‹ und ›irgendwas‹ habe ich gesagt. Können Sie mir folgen?«
    »Waren sie in der Kiste?«, fragte ich.
    »Keiner will’s zugeben, aber ich nehme es an.«
    »Das heißt also, selbst wenn Sie die Biker schnappen, wird ihr Anwalt die ganze Sache Maiseys Freund in die Schuhe schieben?«
    »Sie sind Straffverteidiger. Sie wissen doch selber, dass sich niemand so leicht rauspauken lässt wie ein Sexgangster.«
    »Keine Ahnung. Die vertrete ich nicht.«
    »Ihr verdammten Winkeladvokaten vertretet doch jeden, der ein Scheckheft zückt«, sagte er.
    Dann schüttelte er den Kopf, als müsste er sich zur Ordnung rufen. »Schau’n Sie, in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts gab’s hier eine

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