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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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betrachtete ihn.
    »Meinst du, die kommen noch mal?«, sagte er.
    »Wenn sie glauben, dass sie dich überrumpeln können«, erwiderte ich.
    Er wischte das überschüssige Öl mit einem Lappen ab und blickte versonnen aus dem Fenster, ließ sich nicht anmerken, worüber er nachdachte.
    Ich stand am Hackklotz hinter dem Haus und spaltete Holz. Die Morgenluft hatte sich aufgewärmt, und ich schwitzte in meiner dicken Kleidung. Über Nacht war oben in den Bergen Schnee gefallen, der jetzt schmolz, sodass die Nadeln der Kiefern und Fichten auf den Kämmen dunkel schimmerten. Ich ließ die Axt durch die Luft zischen und spürte, wie sie glatt durch einen trockenen Lärchenholzkloben schnitt. Der Axtgriff fühlte sich hart und fest an, und innerhalb von wenigen Minuten war der Boden rund um den Hackklotz mit weißen Scheiten übersät.
    Ich drückte das Axtblatt mit dem Knie flach an den Hackklotz und schärfte es, dann nahm ich mir den nächsten Stapel Holz vor.
    Das Blut rauschte mir in den Ohren, und meine Hände kribbelten. Ich meinte L. Q. Navarro zu sehen, der am Waldrand stand, die Jacke hinter den Griff seines Revolvers geschlagen hatte, und mir wurde klar, was mir durch den Kopf ging.
    Im Grunde meines Herzens hatte ich nach wie vor ein ebenso starkes Verlangen nach dem Adrenalinstoß, der sich beim Geruch nach Schießpulver und Pferdeschweiß auf unseren Ritten runter nach Coahuila einstellte, wie ein Süchtiger nach dem Heroin. Geradezu lüstern gierte ich im Schlaf danach. Deswegen trieb es mich zum Reiz und Zauber weiblicher Schenkel hin. Deswegen sehnte ich mich nach Absolution und hielt dem katholischen Glauben die Treue. Deswegen saß ich manchmal in der Dunkelheit und betrachtete L. Q.s blauschwarzen, eigens für ihn angefertigten .45er, dessen vergilbte Griffschalen aus Elfenbein wie Mondlicht schimmerten.
    Ich ging ins Haus, duschte mich in der Blechkabine und hielt den Kopf eine ganze Zeit lang unter das heiße Wasser. Oben auf meinem Fuß war eine alte Schussverletzung, wie ein fahlgrauer, wulstiger Stern, eine weitere befand sich an meinem Arm und eine dritte an der Brust, rund fünf Zentimeter über der Lunge. An Schmerzen dachte ich nie, wenn ich sie betrachtete, weil ich nur ein taubes Gefühl gehabt hatte, als ich getroffen worden war.
    Die Erinnerungen, die damit verbunden waren, lösten auch keine Beklommenheit oder Todesangst aus. Sie riefen mir nur ins Gedächtnis, dass Kräfte in mir wirkten, die ich nicht wahrhaben wollte.
    Ich wollte mir die Haare kämmen, aber Maiseys Morgenmantel hing über dem einzigen Spiegel im Zimmer. Ich nahmihn weg und hängte ihn auf einem Kleiderbügel an die Tür. Der Morgenmantel war rosa und mit Kätzchen bedruckt, die mit Wollknäueln spielten. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Doc zumute sein mochte, aber ich glaube, niemand konnte das nachvollziehen, wenn er die Augen seiner Tochter gesehen hatte, nachdem sie von Unmenschen, die ebenso grausam wie feige waren, systematisch erniedrigt worden war.
    Ich hatte die gleichen rötlich-blonden Haare wie mein Vater, auch wenn sie mittlerweile mit weißen Strähnen durchsetzt waren, aber weder die Jahre noch die Erfahrung hatten mich gelehrt, wie ich mit dem Hang zur Gewalttätigkeit umgehen sollte, diesem Erbteil, das mein Urgroßvater Sam Morgan Holland, ein trunksüchtiger Viehtreiber, Revolverheld und Baptistenprediger, seinen Nachkommen vermacht hatte.
    Ich hatte Doc ermahnt und gewarnt, aber im Grunde genommen war ich der Meinung, dass Maiseys Schänder an den nächsten Seidenholzbaum gehörten.
    Ich zog mir frische Sachen an, schlüpfte in meine Stiefel und ging ins Wohnzimmer. Doc räumte mit einer kleinen Eisenschaufel die Asche aus dem Kamin und kippte sie in einen Eimer, den er jedes Mal abdeckte, wenn eine schwarze Wolke aufstieg.
    »Je älter du wirst, desto mehr ähnelst du deinem Vater. Er war ein gut aussehender Mann, nicht wahr?«, sagte Doc.
    »Liegt in der Familie«, sagte ich.
    Er wischte sich mit dem Hemdsärmel den Ruß vom Gesicht und grinste. Er wartete darauf, dass ich noch etwas sagte, und musterte mich verständnisvoller, als mir recht war.
    »Ich dachte, ich fahre vielleicht mal in die Stadt«, sagte ich.
    »Wozu?«
    Ich räusperte mich kurz.
    »Ich dachte, ich lade Cleo vielleicht zum Mittagessen ein, falls sie nicht in der Klinik ist«, sagte ich.
    »Du bist mit ihr beim Rodeo gewesen, nicht wahr?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Soll ich dir einen Rat geben? Die meisten von uns erinnern sich

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