Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Cleo.
»Fahren Sie ein Stück mit mir«, sagte ich.
»Wohin?«
»Wohin Sie wollen.«
Sie schaute mich eine ganze Weile an.
»Meinen Sie es ernst, Billy Bob?«, fragte sie.
»Sie können mich jederzeit fortschicken.«
Sie schaute zu den Wolkenfetzen, die knapp über den Baumwipfeln dahinfegten. »Ich stelle meinen Pick-up bei der Klinik ab. Ich muss bis drei dort sein.«
Ich hielt ihr die Fahrertür auf. Als ich sie schloss, streiften meine Finger ihren Handrücken.
»Ihr Zimmermann sagt, Sie sind eine tolle Frau«, sagte ich.
Sie musterte mich mit durchdringendem Blick, wie sie es schon mal gemacht hatte, als wollte sie nach einem Hintergedanken forschen, einem persönlichen Anliegen.
»Eric ist schwul. Deswegen drückt er sich so großspurig aus, wenn er über Frauen spricht«, sagte sie.
»Mein Großvater sagte immer, Außenseiter und Farbige sind stets der beste Maßstab für einen Weißen«, erwiderte ich.
»Ich glaube, Sie und Doc gehören wirklich hierher«, sagte sie.
Wir ließen ihren Pick-up bei der Klinik stehen und fuhren dann im Regen zu einem Café weiter oben am Jocko, in dem es Büffel-Burger und Heidelbeermilchshakes gab. Ich stieß auf eine Tankstelle, hielt neben einer Reihe überdachter Zapfsäulen und steckte die Zapfpistole in den Tankstutzen. Dann sah ich an der Tankinsel nebenan ein tief gelegtes rotes Auto und eine junge Indianerin mit blonden Strähnen in den Haaren, die am hinteren Kotflügel stand, während das Benzin in den Tank lief.
Sie sah, dass ich sie betrachtete, kehrte mir den Rücken zu und zündete sich eine Zigarette an.
»Wollen Sie Selbstmord begehen?«, sagte ich.
»Nein, aber du, du Bumskopf. Hau bloß ab«, sagte sie.
»Sind Sie im Dienst?«
Ihre Miene wirkte mit einem Mal hitzig, der Mund verkniffen. Sie riss die Zapfpistole aus dem Tankstutzen und hängte sie wieder an die Säule.
Dann stieß ein rothaariger, hohlwangiger Mann mit einem gelben Regenmantel und einem australischen Buschhut die Glastür des Tankstellenladens auf und kam mit einem idiotischen Grinsen um den Mund auf uns zu.
»Gepriesen seien Sie. Den ganzen Tag hab ich an Sie gedacht, und Sie kommen prompt zur Tankstelle«, sagte Wyatt Dixon.
»Er hat mich angemacht, Wyatt«, sagte das Mädchen.
»Sue Lynn, Mr. Holland ist ein Anwalt und Gentleman aus Texas, der größte Hochachtung vor dem weiblichen Geschlecht hat. Meine Schwester Katie Jo Winset, die auf dem Friedhof liegt, hat gesagt, er nimmt immer den Hut ab, wenn er ein Haus betritt, und er geht auch nie zum Spucknapf«, sagte Dixon.
»Sind Sie mir nach Montana gefolgt?«, sagte ich.
»Ich bin Rodeomann, Sir. Mal in Calgary, mal im Madison Square Garden, mal in San Angelo. Könnten Sie mal kurz mit mir da rübergehen?«
Ich wollte wieder zu meinem Pick-up gehen, aber er verstellte mir den Weg. Straff spannte sich die grobporige, mit Regentropfen übersäte Haut über sein Gesicht; das Hemd, das er unter dem gummierten Mantel trug, war bis zum Nabel aufgeknöpft, sodass ich seinen dumpfigen Körpergeruch wahrnahm, wie Regenwasser, das aus einem Gully quillt. Hinter ihm qualmte ein Holzfeuer im Dunst.
»Wissen Sie, wie das ist, wenn man nachts im Gefängnis jemandenschreien hört? Schreie, die anders sind als alles, was man je gehört hat? Dann weiß man, dass Lamar oder einer wie er grade einen Frischling aufgespießt hat. Im Knast geht’s nicht mehr zu wie in alten Zeiten, Mr. Holland. Die Kriminellen sind heutzutage nicht mehr so wie früher«, sagte Dixon.
»Gehen Sie mir bitte aus dem Weg.«
»Für zweitausend Dollar landet der Junge im Holzschredder. Von dem bleibt keine Spur übrig, bis auf ein Polaroid für Ihren Freund, den Doktor, das er vor den Augen seiner Tochter verbrennen kann. Sie und ich stammen aus der gleichen Gegend, Sir. Aus dem Grund mache ich Ihnen ein einmaliges Angebot.« Er schnippte mit den Fingern, öffnete erwartungsvoll den Mund, und seine ausdruckslosen Augen funkelten mit einem Mal.
Ich fasste mir an den Nasenrücken und schaute auf die grauen Berge und die Fichten und Kiefern, die sich im Wind bogen.
»Mal sehen, ob ich mich einigermaßen passend ausdrücken kann, Wyatt«, sagte ich. »Ab und zu taucht ein richtiges Stück Scheiße auf. Ich meine damit nicht das gewöhnliche weiße Gesocks wie Ihre Schwester, sondern jemand, den man auf den elektrischen Stuhl hätte schnallen sollen, dem man das Hirn hätte ausbrennen müssen, als er zum ersten Mal einen Strafzettel wegen Falschparkens
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