Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
nach Hause. Es war furchtbar«, sagte sie.
»Hat er irgendwas gemacht?«
»Nein, er saß bloß im Zwielicht da und hat die Straße auf und ab geblickt. Dann ist er weggefahren.«
»Ich komme vorbei«, sagte ich.
»Nein, ich muss zur Arbeit. Ich rufe Sie heute Nachmittag an.«
»Cleo –«
»Tut mir Leid. Ich muss los. Ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen.«
»Hat das irgendwas mit Ihrem Sohn zu tun?«
»Woher soll ich das wissen? Ich hoffe bloß, dass dieser Ellison eines schrecklichen Todes stirbt. Ich hasse ihn«, sagte sie.
Ich ging hinaus, nahm meine Fliegenweste und die Segeltuchtasche von einem Holzhaken auf der vorderen Veranda, zog meine hüfthohen Watstiefel an und fuhr mit meinem Pick-up den Feldweg entlang zu einer Stelle am Fluss, an der selten geangelt wurde. Ich lief eine Viertelmeile weit durch den Waldund stieg einen flach abfallenden grünen Hang hinab, an dem mächtige graue Felsblöcke aus dem Boden ragten wie Pilze ohne Stiel. Ich watete in den Fluss, der hier, wo keine Sonne hinfiel, aufgrund der Schneeschmelze eiskalt war, und angelte an einer tiefen Stelle unterhalb eines Wasserfalls.
Die Tage wurden allmählich wärmer, die Schneegrenze oben auf den Bergen war jeden Morgen weiter zurückgewichen, und die grünen Flüsse und Bäche schwollen an und wurden kupferfarben.
Ich zog einen Royal Coachman auf, rieb ihn mit Fliegenfett ein und warf ihn gut acht Meter weit in das gekräuselte Wasser im oberen Teil des ruhigen Abschnitts aus. Eine Regenbogenforelle stieg vom Kiesbett auf und schnappte sich die künstliche Fliege, als das Gebinde aus steifen roten Hahnenfedern in der Strömung auf mich zutrieb.
Die Forelle muss gut und gern vierzig Zentimeter lang gewesen sein, und eigentlich hätte ich sie haben müssen. Aber gerade, als sie anbiss, als ich das quecksilbrige Blitzen auf dem Wasser sah und die Rute anschlug, hörte ich das laute Röhren eines Motorrads oben auf dem Fahrweg. Ich warf einen Blick zur Straße hin, worauf die Fliege an meinem Kopf vorbeizischte und an einem Ast hängen blieb, während die Rückenflosse der Regenbogenforelle im aufgewühlten Wasser verschwand.
Ich sah, wie der Motorradfahrer auf einer Hügelkuppe über mir anhielt und zwischen den Bäumen hindurch zur mir herschaute. Er jagte den Motor hoch, dessen Geheul die Stille inmitten der grüngoldenen, nach Kiefern duftenden Luft zerriss, von den Felsblöcken an den Berghängen und durch die Wasserrinnen widerhallte, die sich in den Fluss ergossen.
Dann fuhr er zurück zu meinem Pick-up.
Ich löste die Kunstfliege von dem Baum und stieg die Böschung hinauf in Richtung Fahrweg.
Der Motorradfahrer fuhr an mir vorbei, schaute mir ins Gesicht und wendete hundert Meter weiter. Ich zog meine Fliegenweste aus, legte sie auf die Haube meines Pick-ups, holte L. Q. Navarros Revolver aus dem Führerhaus und schob ihn unter die Weste.
Lamar Ellison nahm das Gas weg und brachte sein Motorrad neben dem Pick-up zum Stehen. Er schob sich die Sonnenbrille auf den Kopf und ließ den Blick über mich schweifen.
Im Schatten der Bäume wirkte er größer, die bronzene Haut dunkler. Er schwang ein Bein über den Sattel des Motorrads, als stiege er von einem Pferd, und blieb zwei Schritte vor mir stehen. Der Wind traf ihn von hinten, sodass ich den Marihuanageruch, der aus seiner Kleidung und den Haaren stieg, und seinen Atem wahrnahm, der stank, als hätte er schlechte Zähne oder fauliges Fleisch im Mund. Ich lehnte meine Fliegenrute an den Pick-up und legte den Unterarm auf meine Weste.
»Machen Sie’s kurz«, sagte ich.
»Ich hab nicht gewusst, dass der Typ ein SEAL war. Ich war bei den Marines. Die Sache mit seiner Tochter tut mir Leid«, sagte er.
»Am Telefon hat das nicht so geklungen.«
Er tippte sich mit dem Handgelenk an die Nase und schniefte. Er blickte die Straße auf und ab, steckte sich eine Zigarette in den Mund, nahm sie wieder heraus und musterte sie stumpfsinnig.
»Die andern haben zugehört. Sie halten mich für einen Spitzel«, sagte er.
Er trug nur eine rissige schwarze Lederweste über der bloßen Brust. Er schob die Hände in die Achselhöhlen, als wäre ihm kalt.
»Was wollten Sie oben bei Cleo Lonnigans Haus?«, fragte ich.
»Ich hab Sie gesucht. Ich hab Sue Lynn gesagt, sie soll anrufen und fragen, wo Sie sind. Sue Lynn is ’ne Indianerbraut, die auf Biker steht. Ich meine, die lässt auch mal ’nen ganzen Schwung drübersteigen, wenn’s sein muss.«
Als ich nichts erwiderte,
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