Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
du sollst heimfahren?«, fragte er.
»Vielleicht«, sagte ich.
»Hast du Angst, dass du auf diese Lonnigan abfährst?«
»Hab ich das gesagt? Habe ich das auch nur gedacht?«, sagte ich.
»Die Frau ist bös drauf.«
»Ihr Kind wurde ermordet.«
»Das macht mehr als ein Stachel im Fleisch zu schaffen, wenn du mich fragst.«
»Ich will bloß ein bisschen Frieden, L. Q.«
»Interessante Wortwahl. Woran erinnern dich die großen, runden Felsen da draußen im Fluss?«
»Ich fahr in die Stadt. Und du kommst nicht mit.«
»Bestell ihr schöne Grüße von mir«, sagte er.
Am nächsten Morgen fuhren Doc und Maisey in aller Frühe nach Bonner, um die Post abzuholen, und ich spülte das Frühstücksgeschirr ab und goss den Steingarten. Drinnen klingelte das Telefon.
»Oh, das ist wieder der einsame Rächer«, sagte jemand, als ich mich meldete.
»Woher haben Sie diese Nummer?«, sagte ich.
»Was geht Sie das an? Geben Sie mir den Pillendreher.«
»Er ist nicht da.«
Er schwieg einen Moment. »Bei mir ist sie gekommen«, sagte er dann.
»Wenn das Ellison ...«
»Der kleine Feger lügt euch an, mein Guter. Sie weiß, dass sie damit einverstanden war. Deswegen hat sie auf den Fahndungsfotos niemanden erkannt. Fragen Sie sie, was sie mir ins Ohr geflüstert hat, als ich ...«
Ich legte auf und drückte auf die Anrufanzeige, dann rief ich den Sheriff an.
»Ellison oder einer der anderen Sexgangster schikanieren das Opfer«, sagte ich.
»Woher wollen Sie wissen, dass sie es sind?«
»Ich denke nicht daran, Ihnen darauf eine Antwort zu geben.«
»Man kann feststellen, woher ein Anruf kommt, wenn –«
»Hab ich schon versucht. Die Nummer war gesperrt.«
»Bestellen Sie Dr. Voss, dass er sich eine andere Nummer geben lassen soll.«
»Das hat er gestern gemacht.«
Ich hörte, wie er tief Luft holte. »Bestellen Sie Dr. Voss, dass er vorbeikommen und Anzeige erstatten soll«, sagte er.
»Wo wohnt dieser Milizführer? Wie heißt er doch gleich, dieser Hinkel?«, sagte ich.
»Sie wollen mich auf Trab bringen, stimmt’s?«
»Ich habe keinerlei Verständnis für Ihre Amtsführung. Sie verhalten sich gegenüber einem vergewaltigten Mädchen und seinem Vater, als wollten Sie ihnen sagen: ›Leckt mich, seht selber zu, wie ihr damit klarkommt.‹«
»Sie haben vielleicht ein Talent, mein Junge. Ich brauche bloß mit Ihnen zu reden, schon krieg ich die Ruhr. Sie sollten sich beim Pentagon melden und zusehen, ob die Sie für die biologische Kriegsführung gebrauchen können.«
Carl Hinkels Ranch lag etwas außerhalb von Hamilton, unten im Bitterroot Valley. Hinter dem steinernen Haus, in dem er wohnte, erstreckten sich grüne Weiden, auf denen preisgekrönte Angusrinder standen, und hinter den Weiden ragten schroffe blaue Berge, auf deren Gipfeln und Graten gleißender Neuschnee lag, zum Himmel auf.
Carl Hinkels Auffahrt war mit Pappeln bepflanzt, und Rosenbeete säumten die mit Kies bestreuten Gehwege. Im Vorgarten knatterte eine umgedrehte amerikanische Flagge im Wind und zerrte klirrend an der Kette, mit der sie an dem silbernen Fahnenmast aufgezogen war.
An dem Viehgatter war kein Tor, aber ich musste ein elektronisches Signal ausgelöst haben, als ich auf Hinkels Anwesen fuhr, weil sofort zwei Männer, deren abnorm aufgedunseneLeiber auf ständigen Anabolikamissbrauch hindeuteten, hinter dem Haus hervorkamen, sich mit leicht gespreizten Beinen an der Auffahrt aufbauten und die Fäuste ballten. Sie trugen Springerstiefel, waren beide im Unterhemd und hatten Pistolen im Gürtel stecken. Ihre unrasierten Gesichter und die düsteren, verkniffenen Mienen passten ganz und gar nicht zu der Umgebung. Ich nickte ihnen zu, aber sie stierten mich nach wie vor mit durchdringendem Blick an, wie Menschen, die tagtäglich das Gefühl haben, dass sich Gott und die Welt gegen sie verschworen haben.
Hinkel, der ein marineblaues Hemd, weiße Hosenträger und eine Kordhose trug, kam aus einer kleinen Steinhütte neben dem Haupthaus. Rauch quoll aus der Maiskolbenpfeife, die er im Mund stecken hatte, während er mich von oben bis unten musterte. Er winkte die beiden Männer weg.
»Sie waren beim Rodeo. Sie hatten früher mal was mit Wyatt zu schaffen«, sagte er.
»Über ihn möchte ich gern mit Ihnen sprechen, Mr. Hinkel. Beziehungsweise über einen gewissen Lamar Ellison«, sagte ich.
»Sie waren Texas Ranger.«
»Unter anderem.«
»Ein Ranger?«, sagte er versonnen. »Tja, dann müssen wir Sie wohl reinbitten,
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