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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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einfach nicht die richtigen Worte finden. Ich habe es immer bereut.«
    Die Kellnerin brachte den Wein und schenkte uns beiden ein. Cleo trank einen Schluck, aß ein Stück Brot und nahm dann einen tüchtigen Zug aus dem Glas. Ihr Mund war rot, alssie es abstellte, und die Regentropfen, die am Fenster herabrannen, warfen Schattenstreifen auf ihr Gesicht. Hinter der Marina, auf einem Bergvorsprung über dem See, stand ein Motel. Über dem Eingang leuchtete eine blaue Neonreklame, und in einem Speisesaal im hinteren Teil des Gebäudes, der auf Stützpfeilern ruhte, die im blanken Fels verankert waren, saßen Familien beim Abendessen.
    »Sie müssen morgen nicht arbeiten, oder?«, sagte ich.
    »Nein.«
    »Freut mich.«
    »Wieso?«
    »Vielleicht könnten wir noch etwas zusammen unternehmen.«
    »Waren Sie nie verheiratet?«
    »Nein. Aber ich habe einen Sohn. Er ist zwanzig. Er geht auf die Texas A&M.«
    »Was ist aus seiner Mutter geworden?«
    »Sie ist gestorben. Sie war mit einem anderen Mann verheiratet, als unser Sohn gezeugt wurde. Er heißt Lucas. Er ist vermutlich einer der besten Gitarristen, Banjo- und Mandolinenspieler von ganz Texas.«
    Die Kellnerin brachte unser Essen und ging wieder weg. Der See lag jetzt im Dunkeln, und draußen in der Dünung ankerte ein Segelboot, aus dessen Kabine ein ölig gelbes Licht fiel. Die Hintertür des Restaurants war offen, damit die kühle Luft hereinziehen konnte, und ich hörte eine Band, die in dem Motel oben auf dem Berg spielte.
    »Das ist Glenn Miller«, sagte ich.
    »Montana ist wie eine Zeitschleife«, sagte sie.
    »Wie alle schönen Gegenden«, sagte ich.
    Sie schwieg einen Moment, legte dann die Gabel hin und blickte auf.
    »Sie essen ja gar nichts«, sagte sie.
    »Ich esse nicht viel«, sagte ich.
    »Billy Bob, Sie haben die Angewohnheit, andere Leute anzustarren.«
    »Möchten Sie gehen?«, sagte ich.
    »Wohin?«
    »Ein Stück die Straße lang. Wohin Sie wollen. Ist mir egal.«
    Sie betrachtete mich, griff dann zu ihrer Handtasche.
    Wir stiegen in meinen Pick-up und fuhren zu dem Motel nebenan. Ich hielt unter dem Vordach. Durch das Foyerfenster sah ich ein junges Mädchen, das offenbar noch zur Highschool ging, am Empfang stehen.
    »Sind Sie sicher, dass Sie das wollen?«, sagte Cleo.
    »Sie nicht?«
    Sie antwortete nicht. Sie öffnete die Tür des Pick-ups und trat hinaus in den Regen. Im Neonschein wirkte ihr Gesicht wie verzerrt. Einen Moment lang glaubte ich L. Q. Navarro unter dem Vordach zu sehen, der warnend die Hand hob.
    Als wir in unserem Zimmer waren, schaltete ich das Licht aus, setzte mich auf einen Sessel und zog die Stiefel aus, verlegen wie immer in Momenten der Intimität. Ein schmaler Lichtstrahl fiel durch die zugezogenen Vorhänge, sodass ich ihre Silhouette sah, als sie sich auszog, einen nackten Schenkel, eine Falte an ihrer Taille, als sie das Höschen über die Knie streifte. Durch das offene Fenster hörten wir Schritte und Stimmen auf dem mit Kies bestreuten Parkplatz unter uns. Ich zog Hose und Hemd aus und trat hinter Cleo, legte ihr die Hände auf die Schultern und wollte sie zu mir umdrehen. Doch sie horchte auf die Stimmen, die der Wind vom Parkplatz zu uns trug.
    »Nein! Lass mich in Ruhe«, schrie ein kleiner Junge.
    »Du steigst jetzt ins Auto, Ty!«
    »Ich denke nicht dran. Du kannst mich nicht dazu zwingen! Lass mich los!«, brüllte der Junge.
    Cleo schlug den Vorhang zurück, ohne auf ihre Blöße zu achten, und starrte auf einen Mann um die vierzig hinab, der ein weißes Hemd anhatte, einen kleinen Jungen an den Handgelenken gepackt hatte und ihn in ein Auto zerren wollte. Cleos Miene wirkte unsäglich traurig.
    »Das ist die Familie, die wir vorhin im Foyer gesehen haben. Der Junge ist wahrscheinlich bloß bockig«, sagte ich.
    »Ich weiß«, sagte sie.
    »Dem passiert schon nichts«, sagte ich.
    »Das weiß ich. Ich weiß, dass ihm nichts passiert.«
    Später, als wir im Bett lagen, machte ich mir vor, dass ich mehr geben als nehmen wollte. Aber ich wusste auch um die Selbstsucht, die mir mein Leben lang zu schaffen machte, die Hitzigkeit, das allnächtlich unterdrückte Verlangen und die Erinnerungen an all die Gewalttaten, die mir im ersten Morgengrauen den Schweiß aus den Poren trieben, an den Staub und das Blut, das aus L. Q. Navarros Jacke spritzte, als ich ihn erschoss – wusste um all diese Sachen, die in mir brannten, um die Absolution, die ich im Schoß und an den Brüsten einer Frau suchte, um die Vergebung, die

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