Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
hinab.
Dixon stand nur ein paar Zentimeter von Lucas und Sue Lynn entfernt und sagte irgendetwas, das ich nicht verstand. Aber ich sah, wie Sue Lynn die Hitze ins Gesicht stieg, sah Lucas’ verdutzte Miene.
»Möchten Sie mit mir reden, Mr. Dixon?«, sagte ich.
Er wandte mir den Kopf zu. Die Zigarre klemmte zwischen seinen Zähnen, und sein rechtes Auge wirkte von der Seite so klar wie eine Glasblase.
»Ich stelle fest, dass heute Abend Leute aus allen Bevölkerungsschichten hier sind. Es ist doch kein Zufall, dass Sie und der Junge sich ähnlich sehen, nicht wahr?«, sagte er.
»Wie wär’s, wenn ich Ihnen ein Bier spendiere?«, sagte ich.
»Nein, danke, Sir. Ich möchte tanzen. Sue Lynn hat nichts dagegen. Wir zwei beide sind uns sozusagen persönlich schon sehr nahe gekommen.«
Lucas hatte den Hut nach hinten geschoben und ließ betreten die Arme hängen. Seine Wangen waren rot gefleckt, wie Äpfel.
»Was ist mit Ihnen los, Mann?«, sagte er zu Wyatt Dixon.
»Ich bin ein großer Bewunderer des weiblichen Geschlechts, mein Junge. Ich verehre jeden Teil ihres von Gott geschaffenen Leibes, und an die hier hab ich schon lange mein Herz verloren. Und jetzt geh da rüber, hock dich hin und trink eine Limo. Lass dir von deinem Papa was über meine Schwester Katie Jo Winset erzählen. Ihr Schicksal war eine große Tragödie für Texas.«
Dixon stieß mit zwei gekrümmten Fingern nach Lucas’ Nase, aber Lucas wich zurück und schlug Dixons Hand weg, als könnte er dessen Unverschämtheit nicht fassen. Dixon lächelte, blickte zu dem roten Lichtschein über den Hügeln und atmete die duftende Abendluft ein, senkte dann die Hand, griff an Sue Lynn vorbei und packte Lucas am Schritt. In diesem Augenblick schlug Lucas zu.
Der Hieb riss Dixon den Hut vom Kopf, doch er lächelte unverwandt weiter.
»Ich habe nach wie vor dein Gemächt in der Hand, mein Junge. Wenn du’s drauf anlegst, reiß ich’s mitsamt der Wurzel raus.«
Ich holte aus und drosch Dixon die Faust aufs Ohr, aber es war, als schlage man auf Stein. Sein Ohr blutete, als er mir langsam den Kopf zuwandte und mit der rechten Hand fester um die Genitalien meines Sohnes fasste.
»Sie nehm ich mir auch noch vor, Mr. Holland. Sie werdenmich in der Dunkelheit riechen, dann werden Sie meine Hand spüren, und am nächsten Tag sind Sie jemand anders«, sagte er.
Ich hieb ihm mit der Faust auf den Mund und spürte, wie seine Zähne in meine Haut schnitten. Dann stürzten sich seine Freunde auf mich.
Im Lauf der Schlägerei gerieten wir zwischen die Grill- und Getränkestände. Ich kann nicht genau beschreiben, was geschah, denn wenn mich die Wut packt, das habe ich schon als kleiner Junge erfahren, reagiere ich genauso wie ein Säufer auf Whiskey. Ich habe ein Surren in den Ohren, und dann bin ich in einer Todeszone voller greller gelber und roter Lichter, einem Ort, an dem ich keinen Schmerz empfinde, weder Zurückhaltung noch Beherrschung kenne.
Ich kann mich daran erinnern, dass ich an eine Pferdetränke geschleudert wurde, das Donnern der Hufe in den Viehkoppeln hörte, dann einen zugespitzten, etwa anderthalb Meter langen Holzpfahl ergriff und ihn einem Mann mit einer Hakenkreuztätowierung mitten ins Gesicht schlug, genau zwischen die Augen. Ich trat einem Mann, der am Boden lag, mit aller Kraft in die Milz und dann an den Kopf. Frauen kreischten auf, ein übergewichtiger Wachschutzmann flog in eine Wasserpfütze, und ich schwang den Pfahl wie einen Baseballschläger, sah, wie Blut über die Zeltwand eines Tipis spritzte und der Mann, den ich getroffen hatte, in die Knie sank und weinte.
Aber Wyatt Dixon war derjenige, den ich mir schnappen wollte. Wie im Traum drosch ich auf meine Angreifer ein, doch der Grund meines Zorns stand am Rande des Getümmels, grinste und zog seine Ärmelhalter zurecht, während ein roter Streifen vom Ohr über seine Wange sickerte.
Keuchend und um Atem ringend rappelte sich der Wachschutzmann, dessen Uniform voller Matsch war, aus der Pfütze auf. Der Riemen über seinem Revolver war aufgesprungen,sodass der geriffelte Griff lose aus dem Holster ragte und die schweren Messingpatronen fett und glatt in der Trommel funkelten.
Ich stieß jemanden beiseite und langte nach dem Revolver. Dann hörte ich Pferdehufe, und plötzlich rammte mich ein mächtiger Falbe und stieß mich in einen Weidezaun.
Halb besinnungslos lag ich am Boden und blickte zu der Silhouette des Reiters auf. Er war riesig, hatte helle Narben auf dem
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