Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Handrücken und schaute mich teils mitleidig, teils verständnislos an.
»Ich mache keinen Spaß, mein Junge. Wenn’s sein muss, zieh ich Ihnen eins mit dem Totschläger über«, sagte er.
Dann spürte ich, dass die Welt allmählich wieder ins Lot kam, und sah Temple und Lucas, die sich zu mir herabbeugten und mich betasteten.
»Oh, wie geht’s, Sheriff?«, sagte ich zu dem Reiter. »Mögen Sie Merle Haggard?«
14. KAPITEL
Meine Hände wurden auf den Rücken gefesselt, und anschließend wurde ich in die Arrestzelle des Bezirksgefängnisses gesteckt, wo ich bis zum nächsten Morgen blieb, ohne offiziell festgenommen zu werden.
Sheriff Cain kam hinter einem Kalfaktor, der eine Essenskarre von Zelle zu Zelle schob, den Korridor entlang. Der Sheriff nahm einen Styroporbehälter mit Rühreiern, Würstchen, einem Kaffeebecher und einer in Zellophan verpackten Plastikgabel vom Wagen und stellte sie vor den Schlitz am Fuß des Gitters.
»Die drei Skinheads, die Sie mit dem Pfahl vermöbelt haben, sind noch im Krankenhaus«, sagte er.
»Herrgott, das tut mir aber Leid«, erwiderte ich.
»Ich wollte letzte Nacht beim Umzug mitreiten. Ich habe mich richtig drauf gefreut. Jemand sollte Ihnen Warnschilder auf die Stirn kleben. Sie sind ja der Wahnsinn in Person.«
»Wann komme ich raus?«
»Sie haben die Blutgier im Leib, Mr. Holland. Ich hab’s Ihnen am Gesicht angesehen.«
»Dafür entschuldige ich mich nicht.«
»Dann hoffe ich, dass Sie damit leben können, weil die einen nämlich glatt auffrisst. Ein Bundesagent will mit Ihnen reden. Wenn er fertig ist, lass ich Sie laufen«, sagte der Sheriff und ging mit schweren Schritten weg, als wüsste er, dass er trotz aller Lebenserfahrung keinerlei Einfluss auf die Welt und das Geschehen in ihr Walten hatte.
Ich setzte mich auf die Pritsche in der Zelle und trank einen Schluck Kaffee aus dem Styroporbecher. Amos Rackley, der ATF-Agent, der mir die Nase abreißen wollte, wenn ich sie noch einmal in Regierungsangelegenheiten steckte, kam zur Zellentür und stützte die Arme auf eine eiserne Querstrebe, nahm sie dann wieder weg und klopfte sich die Manschetten ab.
Er hatte ein feinporiges, hübsches Gesicht, und seine rotblonden Haare waren ordentlich gescheitelt. Er zog einen Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Hemds und drückte mehrfach mit dem Daumen auf den Knopf.
»Können Sie mir erklären, was Ihr Sohn mit Sue Lynn Big Medicine treibt?«, sagte er.
»Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, haben sie getanzt.«
»Sie waren Anwalt an einem Bundesgericht. Sie wissendoch, wie es bei unseren Einsätzen zugeht. Sie wissen um die Gefahren, denen gewisse Personen ausgesetzt sind. Wo bleibt Ihr gesunder Menschenverstand, Mann?«
Ich stellte den Styroporbecher auf die Pritsche und stand auf. Meine Khakis, die Lederjacke und die Stiefel waren eingestaubt, und ich hatte das Gefühl, als wäre ich nach der Schlägerei bei dem Konzert am ganzen Körper steif und wund.
»Ihr seid immer noch hinter dem Bombenleger von Oklahoma City her. Dass ein junges Mädchen vergewaltigt wurde, ist euch egal. Dass jemand meinen Sohn angegriffen hat, ist euch egal. Sie haben im Murrah Building Freunde verloren, und ich kann verstehen, wie Ihnen zumute ist. Also nehmen Sie’s nicht persönlich, wenn ich Sie auffordere zu gehen. Spielen Sie irgendwo anderes mit Ihren Stiften, aber bleiben Sie mir vom Leib.«
Er biss sich auf die Lippe, schaute den Korridor entlang und heftete dann den Blick auf mich.
»Wissen Sie, was ich mir wünsche, Mr. Holland? Dass ich nur zehn Minuten lang vergessen könnte, wer ich bin, damit ich Sie windelweich schlagen kann«, sagte er.
Am übernächsten Abend, als Doc in Missoula war, um Lebensmittel zu kaufen, zog ein Sturm über dem Tal des Blackfoot auf. Blitze fuhren auf die Bergkämme über dem Haus nieder, schlugen in Ponderosakiefern ein, die hell aufloderten und dann abbrannten, bis das Feuer im Regen erstarb. Dann verzog sich das Gewitter, und es hörte auf zu regnen, aber der Himmel war nach wie vor mit schwarzen Wolken bedeckt, in denen das Wetterleuchten flackerte. Die Berghänge über dem Fluss waren in Dunst gehüllt, und der süße Kiefernholzgeruch der Kaminfeuer hing in der Luft. An diesem Morgen hatten sich vor Sonnenaufgang ein paarBären über den Müll hergemacht, ihre Tatzen ans Fenster gedrückt und versucht, die Scheibe hochzuschieben. Jetzt kamen eine Bärin und zwei Jungtiere auf der anderen Seite des Flusses aus dem Wald,
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