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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Wind hinaus. Seine Haut war olivbraun und wirkte in der Sonne kühl und straff. »Wollen Sie im Käfig ein paar Schläge probieren?«
    »Nein.«
    »Gehen Sie noch nicht, Mann. Was halten Sie von Xavier Girard als Schriftsteller?«
    »Warum?«
    »Weil er meine Lebensgeschichte schreibt. Weil ich ihm Zeug erzählt habe, das ich nicht jedem erzähle.«
    »Was für Zeug?«
    »Sie haben mich mal gefragt, wie ich aus Laos rausgekommen bin. Ich hab auf der Kufe von ’nem Hubschrauber gehockt. Aber ich hab ’nen andern Typ runtergeschubst. EinenGI. Aus hundertfünfzig Meter Höhe.« Er wandte den Blick ab, schaute mich dann wieder forschend an. Sein Gesicht schien aufzustrahlen, als läge die Antwort auf alle seine Fragen in greifbarer Nähe. »Nachdem Sie Ihren Freund abgeknallt haben, den anderen Texas Ranger, haben Sie da einen Psychofritzen aufgesucht?«
    Ich wollte einfach weggehen, so tun, als wäre ich über seine Wissbegier und seine verkommene Moral erhaben. Er wartete mit gespannter Miene. Eine Frau mit rot gefärbten Haaren kam aus dem Haus, stieg in ein Kabriolett mit leuchtend weißem Verdeck und hupte ihm zu.
    »Hör mit dem verdammten Lärm auf«, brüllte er sie an und wandte sich dann wieder mir zu. »Wie sind Sie damit fertig geworden, dass Sie den Typ auf dem Gewissen haben?«
    »Gar nicht. Ich habe mich nie damit befasst. Sie tun mir Leid«, sagte ich.
    »Sie haben sich nie damit –«, sagte er, verstummte dann, drückte sich die Finger an die Stirn und öffnete den Mund, als ob er einen Tumor betastete oder gerade einen Waffenbruder erkannt hätte.
    Am Montagmorgen schwebte Carl Hinkel mit seiner einmotorigen Maschine auf einer warmen Luftströmung über den Bitterroot River und landete auf einer frisch gemähten Weide hinter seiner Ranch. Sobald Wyatt Dixon aus der Tür stieg, wurde er von zwei Deputy-Sheriffs festgenommen. Doch bevor sie ihm Handschellen anlegen konnten, schlüpfte er aus seinem T-Shirt und schüttelte es wie eine Stripteasetänzerin von der Hand. Die Adern und Sehnen an seinem Oberkörper sahen aus wie ein Wurzelgeflecht.
    »Beachtet bitte, dass ich vom Hals bis zur Schulter verbrannt bin«, sagte er und lupfte einen dicken, fleckigen Gazebauschvon seiner Haut. »Ich stehe zu eurer Verfügung und hoffe, dass ihr mich ins Krankenhaus bringt. An Diener der Öffentlichkeit, so wie ihr es seid, muss sich ein Rodeocowboy wenden, wenn er sich so dumm anstellt, dass ihm ein feuerheißer Auspuff topf aufs Gesicht fällt.«
    Er legte die rechte Hand an die Augenbraue und salutierte steif.
    Bei den Männern, die zu dem Stimmenvergleich aufgeboten wurden, handelte es sich um einen flüchtigen Sträfling aus Arkansas, der im Bezirksgefängnis festgehalten wurde, einen zahnlosen Koch aus dem Obdachlosenasyl, einen Deputy-Sheriff aus Sweetwater, Texas, einen verrückten Prediger, der den ganzen Tag durch die Stadt zog und auf Autos und Passanten einschrie, und einen aus Oklahoma stammenden Sprachtherapeuten von der Universität, dessen Stimme so klang, als ziehe man einen Draht durch ein Loch in einer Blechbüchse. Alles in allem sollten sie einen Querschnitt durch die vernuschelten und näselnden Südstaatenakzente repräsentieren, Dialekte, bei deren Klang Shakespeare vermutlich seine Texte verbrannt und seine Stücke fortan auf Kantonesisch geschrieben hätte.
    Doch es kam zu keiner Gegenüberstellung, wie man sie aus dem Fernsehen kennt. Weder bei der Stadtpolizei noch auf der Sheriff-Dienststelle gab es eine Bühne oder ein Podium, und bei Letzterer auch keinen Vernehmungsraum, der groß genug war, um die sechs Männer darin unterzubringen, die an dem Stimmenvergleich teilnahmen. Daher legte der Sheriff Wyatt Dixon und den fünf anderen Männern einen Satz vor, den sie ins Mikrofon sprechen mussten, und zeichnete ihn auf Kassetten auf, die er von eins bis sechs durchnummerierte. »Diese Welt ist zu einer Kloake geworden«, lautete der Text, den alle aufsagen mussten.
    Temple saß im Büro des Sheriffs, hatte einen Notizblock auf den Knien und hörte sich eine Kassette nach der anderen an, während ich hinter ihr saß.
    Sie war aufmerksam, ruhig, hatte den Kopf leicht gesenkt, während der Sheriff die ersten vier Kassetten laufen ließ. Dann legte er die fünfte Kassette in das Gerät und drückte auf die Wiedergabetaste. Es war Wyatt Dixons Stimme, aber er sprach nicht in dem schwülstigen, gestelzten und verwunderten Tonfall, der sonst so typisch für ihn war. Temple hob den Kopf, als

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