Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Haltung an.
»Sir?«, sagte er, während ihm der Schweiß aus den Augenbrauen rann.
Doch der Offizier, der anders war, den die Indianer Sohn des Morgensterns nannten, gab keine Antwort.
»Sir?«, wiederholte der jüngere Offizier.
»Was ist?«
»Wie lauten Ihre Befehle, Sir?«
Der Sohn des Morgensterns zog seine mit Fransen besetzten Handschuhe aus und rieb mit den Fingern über den Ballen seiner rechten Hand, als genieße er das klebrige Gefühl des Öls auf seiner Haut.
»Oh, junger Mann, freut mich, dass Sie danach fragen. Ichglaube, ich werde mir heute einen Elchzahn vom Kleid einer Squaw besorgen«, sagte er.
Der jüngere Offizier blickte ins Leere, um sich nicht anmerken zu lassen, dass er die Anspielung seines Vorgesetzten verstanden hatte.
Big Medicine, der Sprecher der Crow-Scouts, warf seinen Freunden einen Blick zu, zog dann sein Pferd von der Hügelkuppe zurück, bis er neben dem Sohn des Morgensterns stand.
»Wir gehen dort hinunter?«, fragte Big Medicine.
»Wir haben sie in der Tasche, mein bemalter Freund«, sagte der Sohn des Morgensterns.
»Wenn wir dort hinuntergehen, in dieses Tal, wir erst singen Sterbelied«, sagte Big Medicine.
»Dann seid ihr Feiglinge und habt auf diesem Hügel nichts zu suchen. Geh mir aus den Augen«, erwiderte der Sohn des Morgensterns.
Doch die drei Crow rührten sich nicht. Der Sohn des Morgensterns schrieb etwas in ein Buch mit leeren Blättern. Er riss die Seite, auf der nur eine Zeile stand, heraus und reichte sie dem jüngeren Offizier.
»Können Sie lesen, was da steht?«, fragte er.
»Ja, Sir. ›Beeilung – bringt das Gepäck‹«, erwiderte der jüngere Offizier.
»Nehmen Sie diese Feiglinge mit nach hinten. Sie entehren geheiligten Boden«, sagte der Sohn des Morgensterns.
Wieder schauten die Scouts der Crow einander an, dann ritten sie hintereinander an dem Kommandeur vorbei, hatten den Blick nach vorn gerichtet, während der Wind an den Coup-Federn in ihren Haaren zerrte und sie flach drückte.
Big Medicine zügelte sein Pferd, lenkte es herum und zog einen schweren Perkussionsrevolver aus dem Holster, das umseine Brust geschnallt war. Er packte ihn am Lauf und schleuderte ihn den Hügel hinab.
»Die Shyelas hassen den Sohn des Morgensterns wegen all der Frauen, Kinder und Alten, die er am Washita getötet hat. Du wirst dir heute keinen Knopf vom Kleid einer Squaw nehmen. Du wirst auf dem Geisterpfad gehen, ohne Augen und Ohren, ohne zu sehen und zu hören«, sagte er.
Der kommandierende Offizier ließ sich nicht anmerken, ob er ihn gehört hatte. Majestätisch saß er im Sattel, in Gedanken bereits bei der Schlacht, die sich anbahnte. Die Crow ritten den Hügel hinab, durch die goldenen Felder voller gelbem Gras, und verschwanden aus der Geschichte, während die lange Kolonne der schweißgetränkten Soldaten an ihnen vorüberzog, zu ihrem kommandierenden Offizier auf der Kuppe des Hügels und dem Anblick, der sich ihnen dort bot – Seidenholzbäume, die unter dem weiten blauen Himmel an einem träge dahinströmenden grünen Fluss standen, und tausende von Zelten aus Hirschleder, alle voller Indianerfamilien, die nicht glauben wollten, dass sie von einer so kleinen Streitmacht, wie sie jetzt über die Kuppe des Hügels vorrückte, angegriffen werden könnten.
Aber was Sue Lynn Big Medicine anschließend in ihrem Traum erlebte, widersprach sowohl der Logik als auch den historischen Tatsachen. Obwohl sie eine Crow war, befand sie sich im Lager der Sioux und Northern Cheyenne und sah den Angriff mit ihren Augen.
Die Soldaten ritten mit einem verwegenen Leichtsinn ins Tal herab, dass die Indianer ihren Augen kaum trauten, feuerten ihre Pistolen und Gewehre vom Sattel aus auf die Zelte ab, teilten sich dann auf, um die Indianer einzukreisen, als wollten sie eine Viehherde zusammentreiben. Sie hörte Querschläger an ihrem Kopf vorbeijaulen und sah, wie die zusammengenähteHirschhaut des Zeltes, das sie soeben verlassen hatte, aufriss und knatternd um die Stützstangen schlug.
Sie rannte wieder hinein und sah ihren zehnjährigen Bruder auf einem Büffelfellmantel sitzen, sah, wie er sich die Hand an den Mund hielt. Er nahm sie weg und starrte darauf, auf den runden Blutfleck mitten auf seinem Handteller, dann schaute er sie an, grinste und legte den Finger an das kleine Loch in seiner Brust. Sie sank vor ihm auf die Knie, während die Kugeln der Soldaten durch das Zelt pfiffen, hielt seine beiden Hände und sah, wie seine Augen brächen und
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