Die Godin
ich wohne.«
Urban schien einen Entschluß gefaßt zu haben.
»Weißt was, Mia - der Schoos bringt dich heim. Wenn du runter gehst, schickst ihn gleich zu mir, damit er den Wagen anläßt«, sagte er mit fürsorglichem Ton. Ihr Blick wurde abwehrend.
»Das brauchts nicht, Fritz. Die paar Meter.«
»Keine Gegenred. Ich wills!« Mia stand auf.
»Ich muß allein sein«, sagte sie und verließ das Büro. Urban stierte ihr nach. Ein maßloser Ärger überkam ihn.
Etwas entwickelte sich, das er nicht erwartet, das er nicht angestoßen hatte. Das er gerade jetzt nicht brauchen konnte. >Einmal krachts.<
Schoos’ Worte kamen ihm in den Sinn. »Arschloch, blödes!« Irritiert stellte Urban fest, daß er laut vor sich hin geredet hatte. Aus dem Variete klang gedämpftes Gelächter.
Kajetan nahm wieder seinen Beobachtungsposten ein, ein kleines Cafe in der Friedrichstraße, von dem aus man einen Blick auf das Haus des Studenten werfen konnte.
Vermutlich hatte dieser längst das Haus verlassen. Mißgelaunt bestellte Kajetan einen Kaffee. Als er gebracht wurde, öffnete sich die Tür des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Kajetan sprang auf, warf eine Münze auf den Tisch und verließ das Lokal.
Henning von Seeberg schlenderte gelöst zur Leopoldstraße. Bei einem fliegenden Händler kaufte er sich die neueste Zeitung und betrat das Cafe Leopold.
Kajetan nahm eine Zeitung vom Haken und setzte sich an den Nebentisch. Nach wenigen Minuten kam ein junger Mann an von Seebergs Tisch. Die beiden begrüßten sich ausgelassen. Nachdem die Studenten ein Frühstück bestellt hatten, begannen sie ein angeregtes Gespräch. Ob sein Kommilitone wieder zum Eibsee fahren würde, wollte von Seeberg wissen.
»Am Wochenende. Kommst du mit, Henning?«
»Hab zu tun!« lächelte dieser vieldeutig.
»Verstehe!« Der andere zwinkerte ihm zu. »Henning, der Kavalier. Aber mir kannst du es doch sagen? Ist es die, die du im >Regina< kennengelernt hast? Sag nur, du hast sie bereits …« Er sah ihn neidvoll an.
»Du bist mehr als indiskret!« tadelte von Seeberg eitel.
»Entschuldige! Aber es ist fürchterlich mit dir! Und wie sieht es heute abend aus?«
»Da bin ich leider auch schon abonniert, mein lieber Justus.«
»Mit ihr?«
»Tschuldigens, der Herr«, sagte der Kellner, »täts Ihnen was ausmachen? Ich hätt hier ein paar Gast, die zusammensitzen möchten. Da drüben war noch ein einzelner Stuhl.«
Kajetan schüttelte den Kopf. Natürlich mache ihm das nichts aus, log er.
Nun war kein Wort mehr davon zu verstehen, worüber sich die beiden jungen Männer unterhielten. Offenbar gab es eine Menge amüsanter Neuigkeiten zu berichten, denn erst nach mehr als einer Stunde verabschiedeten sich beide voneinander. Kajetan folgte dem Studenten, der sich mit zügigem Schritt zu seiner Wohnung begab, sich dort umzog und nach kurzer Zeit wieder auf die Straße trat. Er schien sie nach einer zufällig vorbeifahrenden Droschke abzusuchen, ging dann aber über die Ludwigstraße zum Odeonsplatz. Er überquerte ihn und verschwand schließlich in der Enge der Altstadtgassen. Mit Mühe konnte Kajetan ihn wieder ausmachen, als er durch das Thal in Richtung Osten schlenderte, schließlich vor einem Altstadthaus in der Nähe des Isartors stehenblieb und an die Tür schlug. Er wurde eingelassen.
Am Haus zeugte ein Wandschild davon, daß hier eine studentische Verbindung ihr Domizil hatte. Das Gebäude hatte keine Hofeinfahrt, durch die man hindurchgehen hätte können, um einen Blick auf den Saal der Verbindung zu werfen. Die Fenster waren geschlossen. Kein Laut drang auf die Straße. Kajetan schlenderte durch die Gassen, wobei er in regelmäßigen Abständen die Tür des Verbindungshauses passierte.
Immer wieder kam ihm Mia in den Sinn.
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als eine Gruppe junger Männer das Verbindungshaus verließ. Sie schienen in bester Laune zu sein und unterhielten sich noch einige Minuten, bevor sie sich verabschiedeten.
Am Isartor winkte von Seeberg einer Droschke. Kajetan konnte nur noch aufschnappen, daß der Student in die Wörthstraße nach Haidhausen wollte. Der Fahrer, den Kajetan wenig später aufhalten konnte und dem er die Fahrt dorthin befahl, ließ sich nicht hetzen. Dennoch konnte Kajetan noch sehen, wie der Student ein Haus in der Nähe des Ostbahnhofrondells betrat.
Hier also wohnte von Seebergs Geliebte?
Ein Gefühl des Bedauerns befiel Kajetan. Die Schlinge um den Studenten zog sich
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