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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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zu. Wie konnte er auch nur dermaßen unvorsichtig sein? Traute er seinem Vater nicht zu, daß dieser ihn beobachten lassen würde? Oder riskierte er gar den Bruch mit ihm? Kajetan konnte sich nicht einer gewissen Sympathie für den jungen Mann erwehren: Es schien jenem völlig egal zu sein, womit ihm gedroht worden war.
    Eine Trambahn bog kreischend in die Wörthstraße. Als sie an der nur wenige Schritte von seinem Beobachtungsposten entfernten Haltestelle anhielt, stieg Kajetan ein. Zu Hause angekommen, legte er sich erschöpft ins Bett. Er betrachtete die Muster, die sich durch den rissigen Gips des Plafonds zogen.
    Wie sollte er sich verhalten? So froh er war, daß er für Fleischhauer arbeiten konnte, so wenig behagte ihm, daß ihm die Rolle des Zerstörers dieser harmlosen Liebschaft zugefallen war.
    Als er noch Polizist war, hatte es nur gegolten, Gesetzesbrecher dingfest zu machen. Welches Gesetz aber wurde hier gebrochen? Dasjenige dünkelhafter Kreise, die sich über den Pöbel heben wollten?
    Er wollte Fleischhauer aber auch nicht hintergehen - jedoch: Würde jemand daran etwas aussetzen können, wenn er die beiden warnte?
    Noch während er darüber nachdachte, hatte ein irritierendes Gefühl von ihm Besitz ergriffen. Mia.
    Er sehnte sich nach ihr. Der Gedanke an sie überwog Zorn und Vernunft. Während er sich noch befehlen wollte, sich zusammenzunehmen, überlegte er bereits seine Worte, die er ihr sagen wollte, wenn er vor ihr stünde. Die albernen Begründungen, mit denen er sich verbieten wollte, Mia nahe zu sein, wirkten nicht mehr.
    Das Leben war, wie es war, und nicht, wie es sein sollte.
     
     
    »Ja, so ein Zufall! Der Herr Kommerzienrat Dandl! Grüß Ihnen Gott, Herr Kommerzienrat!«
    Der feiste, gutgekleidete Mann, der eben die Tür hinter sich geschlossen und einen Moment satt an sich herabgesehen hatte, riß erschrocken die Augen auf.
    »Ich glaub, Sie täuschen sich!« sagte Dandl abweisend, setzte seinen Hut auf und wollte gehen.
    »Unmöglich, Herr Kommerzienrat! Gestatten - Kainz, Neueste Münchner Zeitung. Lokalressort.« Der Journalist machte einen kleinen Bückling und lächelte gewinnend.
    Dandl blieb stehen und wandte sich langsam um. »Reporter …?« sagte er heiser. »Bei was für einem Blattl, sagt Er?«
    »Neueste Münchner, Herr Kommerzien…«
    »So. Bei der.« Der Kommerzienrat kratzte sich nachdenklich an seiner fülligen Wange.
    Der Reporter nickte eifrig. »Jawohl, Herr Kommerzien…«
    »Soso.« Dandl richtete sich auf und wippte auf den Sohlen.
    »Bei dem Blatt also«, stellte er fest«, wo ich seit Jahr und Tag schon annoncier, und zwar nicht grad gering?«
    »Tatsächlich?« fragte Kainz interessiert.
    »Tatsächlich«, bestätigte Kommerzienrat Dandl. Er machte eine nachdenkliche Miene. »Also, von da ist Er her…«, wiederholte er lauernd.
    »So ist es! Kainz! Lokalreporter. Bin grad dabeigewesen, für eine Reportage über Ausländer in München zu recherchieren und wollt dazu die Madame de Paris befragen. Schließlich inserierts ja - sehns, steht ja auch an ihrem Türschildl - daß sie Unterricht gibt, in Französisch.« Er wies mit dem Kopf zur Tür, aus der Dandl eben gekommen war. »Aber gewundert hat mich schon, daß manche Pariser Weiber einen Dialekt haben, den ich eher nach Dingolfing getan hätt.«
    Dandl unterbrach ihn.
    »Herr…«, begann er überlegen.
    »Kainz! Wenns recht ist, Herr Kommerzien…«
    »… Kainz. Also recht freuen wirds den Herrn Dietrich, Ihren Chef, bestimmt nicht, wenn Sie ihm seine Kundschaft verärgern, glaubens nicht auch?«
    »Da versteh ich Ihnen jetzt nicht, Herr Kommerzienrat!« sagte der Reporter unschuldig, »Wie kommens denn jetzt auf so was?«
    »Bloß a so, Herr Kainz, bloß a so. Haben wir uns verstanden?«
    Kainz schüttelte verständnislos den Kopf. »Was meinens denn?«
    »Ob wir uns verstanden haben, hab ich Ihn gefragt?«
    »Also, Herr Kommerzienrat!« Der Reporter hob aufgeregt seine Brust. »Jetzt versteh ich Ihnen erst. Ich bitt Sie! So ein Mißtrauen! Für was haltens mich denn? Jetzt bin ich aber beinah beleidigt!« Er schien empört.
    Dandl beschwichtigte ihn. »So wars nicht gemeint, Kainz. Aber Er muß schon verstehen, daß eine Person des öffentlichen Interesses Obacht geben muß. Da trifft man ihn, wie er zufällig irgendwo vorbeigeht, und schon täts heißen…«
    Kainz nickte eifrig. »Selbstverständlich, selbstverständlich, Herr Kommerzienrat. Sie sagen es!«
    »Gehns, komm Er mit, Kainz. Damit Er

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