Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
Vom Netzwerk:
zu seinem Schreibtisch und suchte nach einer Telephonnummer. Schließlich fand er sie. Bevor er jedoch wählen konnte, klopfte es zaghaft an der Tür.
    »Wer ist es?« raunzte er unwillig. Die Tür öffnete sich. »Du? Ich hab jetzt keine Zeit, schleich dich!« Es sei wichtig, sagte Mia. Sehr wichtig.
     
     
    Kajetan hatte lange auf den Wagen der Städtischen Bestattung warten müssen. Nachdem die von ihm gerufenen Schutzleute keine unüblichen Umstände feststellen konnten und der Arzt den natürlichen Tod Emil Teobalts bestätigt hatte, verrichteten sie mit nüchterner Routine ihre Arbeit. Sie umhüllten den Leichnam mit einem Tuch, packten ihn an Händen und Füßen und legten ihn in einen schlicht gezimmerten Sarg.
    Nachdem sie gegangen waren, fing der Hausmeister an, die Habe des Verstorbenen zu taxieren. Viel, meinte er, wäre nicht mehr zu gebrauchen, das meiste müßte zur Müllgrube gebracht werden. Das würde er morgen machen, denn heute sei es bereits zu spät.
    Als er die Uhrzeit nannte, erinnerte sich Kajetan an seinen Auftrag. Er rannte zur Trambahnstation und, nachdem er erfuhr, daß die Elektrische erst in zwanzig Minuten kommen würde, in die Innenstadt.
    Er erreichte den Zentralbahnhof gerade noch rechtzeitig. Kajetan zwang sich zur Ruhe und ging langsam den Bahnsteig entlang, an dem die Ankunft des Zuges aus Köln angekündigt war. Er zog ein schmales Büchlein, das er auf Teobalts Nachttisch entdeckt und unbemerkt eingesteckt hatte, aus seiner Jackentasche. Emil selbst hatte die Broschüre verfaßt. Während er so tat, als sei er in die Seiten vertieft, musterte Kajetan unauffällig die Menschen, die auf dem Bahnsteig warteten. Auch einige jüngere Frauen waren darunter, jedoch keine, die so aussah, als ob sie als Schneiderin arbeiten würde.
    Der Zug fuhr ein. Kajetan erkannte den schlaksigen jungen Mann sofort. Eine Hand in der Hosentasche, in der anderen ein kleines Köfferchen, schlenderte er gelassen an ihm vorbei.
    Niemand begrüßte ihn. Er trat auf den Vorplatz und winkte einer Droschke.
     
     
    »Wieso möchst einen Tag frei haben? Gleich einen ganzen Tag?« Urban war ärgerlich. »Wie komm ich dazu?«
    Mia öffnete ihre Handtasche und suchte nach einem Kuvert.
    »Der Schoos hat außerdem gesagt«, fuhr Urban fort, »du tatst langsam meinen, was Besseres zu sein und tatst nicht mehr in den >Salon< rübergehen wollen - was hast denn da?«
    Sie reichte ihm einen Brief.
    »Da, lies.«
    Er runzelte die Stirn, nahm ihn entgegen und las ihn mit wachsendem Erstaunen. Sein Stimme veränderte sich.
    »Das ist natürlich was anderes. Da will ich nicht so sein«, sagte er väterlich. »Mein Beileid, gell.«
    »Dank dir schön, Fritz. Ich tat dann gleich morgen in der Früh fahren. Auf Nacht bin ich wieder da.«
    »faja«, nickte er abwesend und blickte noch immer auf das Schreiben. Dann hob er den Kopf und wies mit der Spitze seiner geöffneten Hand auf das Papier.
    »Aber sag einmal: Wie ich dich seinerzeit aufgeklaubt hab, da warst du doch vorher in diesem Heim für gefallene Mädchen in Sendling drunten? Du hast damals gesagt, daß du da auch aufgewachsen wärst. Und jetzt les ich, daß…«
    »Mußt ja nicht alles wissen, Fritz«, lächelte sie müde.
    ».. .und außerdem: Du bist überhaupt keine Waise gewesen? Deine Mutter hat bis vor kurzem noch gelebt?«
    »Ich habs ja selber nie gewußt.«
    Urban sah wieder auf das Blatt. Er las den Absender.
    »Von daher also bist du…?« sagte er nachdenklich, »und deine Mutter ist eine… Aber du heißt doch anders?«
    »Die haben mich adoptiert«, erklärte sie. »Aber ich hab kein gut getan, und deswegen haben sie mich fortgetan in das Heim.«
    Urban faltete den Brief zusammen und gab ihn Mia.
    »Freilich kannst fahren«, wiederholte er. »Das ist doch selbstverständlich.« Er räusperte sich.
    »Ich müßts ja eigentlich gekannt haben, deine Mutter.«
    Sie hatte sich schon halb erhoben. Jetzt sank sie wieder auf den Stuhl zurück und starrte ihn ungläubig an.
    »Ich bin in der Näh groß worden.« Er bemerkte ihren fragenden Blick und lächelte. »Aber ich entsinn mich nicht an sie. Ich bin ja schon ewig und drei Zeiten von dort weg.«
    Mia war noch immer verblüfft. »Zufälle gibts«, sagte sie mit verwirrtem Lächeln.
    »Ja, verrückt«, stimmte er zu. »Und jetzt mußt auf die Beerdigung?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Sie haben sie schon längst eingegraben. Der Brief ist wochenlang unterwegs gewesen. Im Gemeindeamt hat keiner gewußt, wo

Weitere Kostenlose Bücher