Die Göring-Verschwörung
hattest du mit einem deutschen Geheimdienstoffizier zu bereden?«
Ashfield sagte immer noch kein Wort und schaute Ellis mit weit geöffneten, ungläubigen Augen an.
Dessen Ton wurde schärfer. »Was um alles in der Welt hat dich dazu gebracht, mit dem SD zu paktieren?«
»Ich habe nicht paktiert!«, wehrte sich Ashfield. »Was soll das? Ist das ein Verhör? Ich habe einen Gast hier im Büro, wie dir nicht entgangen sein wird. Es ist mehr als unangebracht, diese Unterhaltung in seiner Gegenwart zu führen.«
»Ich bin gezwungen anzunehmen, dass du in Konspiration mit einem fremden Geheimdienst die Interessen von König und Land verraten hast«, überging Ellis Ashfields Beschwerde. »Und ja, dies ist ein Verhör.«
»Was erlaubst du dir? Auch die Zuständigkeiten des Secret Service haben ein Limit.«
»Du weißt sehr wohl, dass du jedweden Kontakt zum SD mit mir abzustimmen hast. Stattdessen hast du dich entschieden, die Sache zu vertuschen.«
»Ich habe lediglich …«, seufzte Ashfield, ohne fortzusetzen.
»Was? Du hast was?«
Der Vizebotschafter senkte den Kopf, seine graue Haartolle fiel ihm in die Stirn. Er sank tiefer in seinen Arbeitssessel, um darin gänzlich unbeweglich zu verharren. Allein seine Augen, obgleich sie geradeaus ins Leere starrten, zeugten von Leben.
»Edward?«, drang Ellis auf ihn ein.
Ashfield hob den Kopf wie in Zeitlupe. »Es gibt da eine Dame«, sagte er so leise, dass er kaum zu verstehen war. »Eine junge Dame, an der mein Herz hängt. Es wäre der Tod für meine Frau, wenn sie davon erfahren würde. Das konnte ich nicht zulassen.«
»Welche Dame?«
»Ich habe Sie im Salon Kitty kennengelernt.«
»Im Salon Kitty??«, schnellte Ellis’ Stimme hoch. »Dem Luxusbordell in der Giesebrechtstraße?«
»Unglücklicherweise hat der deutsche Geheimdienst davon erfahren. Ich werde erpresst.« Die letzten seine Worte hatte er bereits mit dem Unterton jener Erleichterung ausgesprochen, die Täter oft unmittelbar nach ihren Geständnissen empfanden. Er hatte aufgegeben, statt weiter zu leugnen und irgendeine Geschichte zu erfinden. Es hätte ihm ein Leichtes sein können, sich etwa darauf zurückzuziehen, dass der SD ihm noch ein paar Fragen zum Mord an Wardley gestellt hätte und er Clarson mit einer Notlüge abgefertigt habe, da er ihn als einen Tatverdächtigen ansah, dem er nicht vertraute. Doch aus irgendeinem Grunde hatte Ashfield die schnelle Kapitulation vorgezogen. »Ich flehe dich an, Peter, lass nichts von alledem zu meiner Frau dringen. Das hat sie nicht verdient.«
»Du weißt so gut wie ich, dass das unmöglich ist.« Ellis’ Augen hatten sich zusammengezogen und ihren mitfühlenden Ausdruck verloren. »Für eine Romanze mit einer Dirne!«, zischte er den Vizebotschafter an, bevor er in ein ausladendes Kopfschütteln überging.
Ashfield durchfuhr ein kurzes Zucken, als habe sein aristokratisches Gehabe, jene Hülle, die zu seiner Natur geworden war, eine Erschütterung erfahren. Er wich dem Blick des Air Attachés aus und verbarg die Augen in seiner Handfläche. »Botschafter Henderson nimmt in der nächsten Woche seinen Dienst wieder auf und ich werde um meinen gleichzeitigen Abschied bitten. Meine Frau und ich wären nach London zurückgekehrt und hätten all das hinter uns gelassen. Alles wäre gut gewesen. Eine Woche, nur eine einzige Woche hat gefehlt.«
»Du stehst ab sofort unter Arrest wegen des Verdachts auf Hoch- und Landesverrat.«
»Dazu hast du keine Befugnis«, begehrte der Vizebotschafter noch einmal auf.
Ellis blieb ungerührt. »Du wird dich selbst in die Hände unseres Wachdienstes begeben und deine Rückreise als Gefangener antreten.«
»Wenn Sie nicht überall Ihre Nase reingesteckt hätten«, keuchte der geschlagene Ashfield mit Blick auf Clarson. »Ich hätte gar nichts weiter verraten können. Ich habe ja praktisch gar nichts gewusst, bevor Sie in die Botschaft gelaufen kamen.«
»Wardley hätte mich gar nicht erst angesprochen, wenn er nicht von seinem eigenen Freund hintergangen worden wäre.«
»Alles, was ich getan habe, ist, Struttner die kleine Information zu stecken, dass Adrian Gespräche mit Oppositionellen über die Unterstützung einer zukünftigen deutschen Regierung führte.« Ashfields Stimme driftete nun in ein Jammern ab. »Derlei Kontakte und Gedankenspielereien sind ja nichts völlig Absonderliches in der Welt der internationalen Diplomatie. Der SD hat ihn als Konsequenz enger beschattet, das hat ihn vorsichtiger
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