Die Göring-Verschwörung
einen bitteren Blick zu.
»Was hast du dir eingebildet?«, gab der zurück. »Dass ich meinen Hintern für die Wiedererrichtung des alten Parteienstaates hinhalte? Du scheinst vergessen zu haben, dass dir hier der Vertrauensmann von Nazi Nummer Zwei gegenübersteht.«
»Du hast mich soeben wieder daran erinnert. Aber verlass dich drauf: Solltest du Himmler und Hitler den Nachweis überbringen, dass ihre engsten Vertrauten ihren Tod geplant hatten, um an ihre Stelle zu treten, wird der Blutrausch ihrer Rachsucht vor dir nicht Halt machen.«
Erneut schellte die Hausglocke.
Binnewies lauschte durch einen kleinen Türspalt in den Korridor. Der breite, marmorverkleidete Flur zwischen Eingangsfoyer und Büro war fast zehn Meter lang und Clarson, der von Mankes Pistole etwas abseits der Tür in Schach gehalten wurde, konnte die Worte nicht ausmachen. Jemand schien in gebieterischem Ton auf den Hausdiener einzusprechen.
Schnell schloss Binnewies die Tür wieder. Schlagartig leichenblass geworden, suchte er mit der Schulter Stütze an der Wand. »Mein Gott!«, gab er mit kehliger Stimme von sich. »Woher wissen die, wo ich bin, verdammt?« Er starrte Manke an. »Sie Idiot! Man ist Ihnen gefolgt.« Er atmete tief ein, riss entschlossen die Tür auf, feuerte drei Schüsse auf eine Gruppe von SD-Männern, die sich durch den Korridor näherte, schlug die Tür wieder zu und wich zur Seite aus.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Eine schnelle Folge von Kugeln durchschlug das dünne Türblatt, pfiff durch den Raum und landete im gegenüberliegenden Fenster, dessen Glasscheiben laut klirrend in sich zusammenfielen. Binnewies presste den Rücken gegen die Wand, die Pistole an seine Brust gedrückt. Sein Atem ging laut und schnell, während er seinen Kopf hektisch nach einem Ausweg absuchte.
»Elender Mist! Was sollen wir jetzt tun?«, quäkte Manke.
Binnewies ignorierte ihn. Sein Blick fiel auf das Fenster. Er marschierte schnellen Schrittes darauf zu, schob die Gardine beiseite, steckte vorsichtig den Kopf hinaus und spähte nach beiden Seiten. Leichtfüßig und ohne sich noch einmal umzudrehen, sprang er auf das Fenstersims, das mit Scherben übersät war, die unter seinen Stiefeln knirschten. Von dort ließ er sich auf den Hof fallen und rannte los.
»Elender Mist!«, wiederholte Manke, in den Raum rufend.
Binnewies hatte die freie Rasenfläche überquert und war fast bei den zu exakten Würfeln beschnittenen Buchsbaumbüschen angelangt, als der Schuss fiel. Die Kugel drang unterhalb des linken Schulterblatts in seinen Brustkorb ein, er schrie gellend auf, stolperte noch ein paar Schritte weiter und stürzte dann schwerverletzt in einen der Büsche. Ein SD-Mann lief, die Pistole am ausgestreckten Arm, über das Gras des Hofes auf ihn zu.
Binnewies lag halb von dem Buchsbaum verdeckt auf dem Rücken und kreischte vor Schmerz. Seine Lunge war in Herznähe aufgerissen worden und würde rasch voll Blut laufen. Mit wild zitternden Händen kramte er ein paar lose Zettel aus der Brusttasche. Er versuchte sie in die Höhe zu halten, doch sein Arm gehorchte ihm nicht mehr und er wedelte stattdessen, die Dokumente fest umklammert, mit dem Handgelenk über seiner Brust, dabei unentwegt über den Hof schreiend. Der SD-Mann kam zögernd auf ihn zu, unsicher, was es mit Binnewies’ Geste auf sich hatte.
Kurz darauf erschien Struttner im Laufschritt auf der Szene und hieß seinen Mann innezuhalten. Er trat dicht an Binnewies heran, ergriff die Papiere und hielt eine Luger-Pistole über dessen Kopf. Der schaffte es, sein schreiendes Wehklagen für den Moment zu unterbrechen und seinen Henker schwer keuchend anzustarren. Struttner sprach ihn an, doch Binnewies antwortete nicht, sondern gab stattdessen einen sonoren Schmerzenston von sich. Der Obersturmführer beugte sich herunter, packte den Schwerverletzten an der Schulter, schüttelte ihn aufgebracht und wiederholte seine Worte. Binnewies röchelte und schwieg. Schließlich sah Struttner die Zwecklosigkeit seiner Bemühungen ein, erhob sich wütend und blickte kurz zu seinem Untergebenen hinüber, der das Geschehen mit sichtbarem Unbehagen verfolgte. Dann schoss er Binnewies in die Stirn.
Clarson und Ariane hatten sich auf den Boden geworfen, um nicht ins Sichtfeld des Fensters zu geraten. Von Manke, der mit Dienstwaffe und PPK bewaffnet wie gelähmt in einer Ecke kauerte, hilflos beobachtet, krochen sie über den Boden durch die Seitentür in den Salon.
Ein Gedanke
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