Die Göring-Verschwörung
die Drecksarbeit für andere machen.«
»Welch eine verabscheuungswürdige Weltsicht.«
»Ja, so einer wie du aus einer vornehmen Familie hat leicht reden. Du und ich, wir haben beide auf Hermann gesetzt und wir sind dabei weiß Gott weit genug gegangen. Du siehst, in welche Lage uns das gebracht hat.«
»Wir müssen hier abhauen, Herr Major!«, unterbrach Manke, immer noch um Atem ringend vor Anspannung.
»Und wohin, Leutnant, schlagen Sie vor zu gehen? Der SD spürt Sie überall auf. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
»Wir müssen doch irgendetwas tun.«
»Reißen Sie sich zusammen und verlieren Sie nicht die Nerven. Das Spiel ist noch nicht zu Ende.« Binnewies griff erneut nach dem Hörer und drückte zweimal auf die Gabel. »Geben Sie mir eine Verbindung ins SS-Hauptamt, Persönlicher Stab des Reichsführers«, bat er die Dame von der Telefonzentrale.
»Was hast du vor?«, fragte Clarson.
»Es ist jetzt unsere einzige Überlebenschance. Und Göring und Heydrich kommen dahin, wo sie hingehören – auf den Müllhaufen der Weltgeschichte.«
»Du willst die Verschwörung an Himmler verraten?«, rief Clarson fassungslos.
»Erschrick nicht so beim Namen Himmler!«, erwiderte Binnewies mit der Hand auf der Sprechmuschel. »Was glaubst du, mit wem du dich eingelassen hattest?« Jemand meldete sich in der Leitung und Binnewies ließ sich durchstellen. »Nein, ich muss darauf bestehen, mit dem Chef des persönlichen Stabes zu sprechen … Major Binnewies, ich bin Gruppenführer Wolff bekannt … Ist er oder der Reichsführer-SS selbst in Prag erreichbar? … Nein, ich rufe wieder an.« Unzufrieden legte er auf.
»Weißt Du überhaupt, was du da tust?«, fragte Clarson. »Du wirst sämtliche oppositionellen Offiziere an Hitler ausliefern.«
»Die sterben sowieso. Jetzt wo die Sache geplatzt ist, lässt Hermann sie liquidieren und niemand wird je erfahren, dass er dahinterstand. Alle werden denken, dass der SD kurzen Prozess gemacht hat.«
»Was macht dich so sicher?«, entgegnete Clarson. »Vielleicht soll es nur dich treffen, vielleicht fühlt er sich aus irgendeinem Grunde von dir verraten.«
Binnewies lachte kurz und verächtlich. »Du hast noch immer keine Ahnung, bei welchem Spiel du mitgespielt hast, was? Der Pakt mit den Hitlergegnern im Offizierskorps war von Anfang an eine gänzlich unnatürliche Verbindung. Sie waren überhaupt erst bereit, sich mit ihm einzulassen, nachdem General Weihnacht ausgeschaltet wurde.«
»Der Tod des Generals geht ebenfalls auf Görings Konto?«
»Die Opposition gegen Hermann innerhalb der feinen Offiziersgilde war zu groß. So entstand die Idee, sich des SD zu bedienen, um den Offizieren eine wenig Feuer unter dem Hintern zu machen und einen der Stänkerer hochzunehmen. Also wurde Wardley gebeten, Weihnachts Name als Kopf einer Widerstandsgruppe nach England weiterzuleiten. Es war zugleich ein Test, ob der SD wirklich an dem Briten dran ist. Tatsächlich ist Struttner dem General prompt am darauffolgenden Tag auf den Leib gerückt. Weihnacht hat sich dann praktischerweise selbst eine Kugel in den Kopf gesetzt. Danach waren die Übrigen williger.« Er stand auf und streifte seine Uniformjacke über. »Wie ich bereits sagte, Struttner hat sich als außerordentlich nützlich erwiesen.«
Clarson umfasste unwillkürlich die PPK, die sich wieder in seiner Manteltasche befand. Der zynische Zug in Binnewies’ Charakter, den Clarson zunächst durchaus geschätzt hatte, offenbarte nun seine ganze Abgründigkeit. »Wie lange hätte er sich an seine Partner gebunden gefühlt, wenn SS und Hitler erst einmal ausgeschaltet gewesen wären?«, stellte er die offensichtliche Frage.
»Ich weiß es nicht«, antwortete der Major. »Mit Heydrich an seiner Seite wäre ein Bruch wohl nur eine Frage der Zeit gewesen. Hermann hatte es nicht zufällig den Offizieren überlassen wollen, Hitler zu beseitigen, während wir den ungeliebten Himmler ausgeschaltet hätten.«
»Mein Gott! Er hätte die Offiziere also im Anschluss an den Putsch an die Wand stellen lassen und wäre selbst als Wiederhersteller von Recht und Ordnung nach einem Staatsstreich gewissenloser Offiziere vor die Nation getreten.«
»Wäre eine mögliche Variante gewesen.«
»In der Nazi-Partei hätte man ihn womöglich gar als Bewahrer des Nationalsozialismus gefeiert. Und er hätte nicht als ein verräterischer Brutus dagestanden, sondern als eine Art Marc Anton, als Rächer Cäsars.«
»Lasst uns gehen«,
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