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Die Göring-Verschwörung

Die Göring-Verschwörung

Titel: Die Göring-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Müller Hale
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in das dunkle Holz der Mitteltür eingelassenen, ovalen Spiegel.
    Der Cutaway bedeutete Aussicht auf ausgedehnten Überdruss in Gegenwart von Menschen, mit denen man, vor die Wahl gestellt, niemals seine Zeit verbracht hätte. Als Heranwachsender war er auf zahllose Hausfeste geschleppt worden, die seine Herkunft und mehr noch das Geschäftsinteresse seines Vaters mit sich gebracht hatten. Höhepunkt waren dabei stets die unvermeidlichen kulturellen Darbietungen gewesen, wenn die Tochter des Gastgebers ein Piano malträtierte oder   – noch arger   – wenn Poesie aus der Feder einer der anwesenden Damen verlesen wurde. Früh hatte er gelernt, den Besuch solcher Veranstaltungen zu meiden oder, sofern er unumgänglich war, galant abzukürzen.
    Allein die Gegenwart von Ariane machte Empfänge halbwegs erträglich. Sie brillierte mit unbekümmerter Leichtigkeit im belanglosen Meinungsaustausch mit Unbekannten und sogenannten Freunden, was es ihm erlaubte, lächelnd danebenzustehen, während er nach dem nächsten Scotch Ausschau hielt.
    Vor zwei Jahren war sie auf einer der üblichen Gesellschaftspartys wie ein blonder Wirbelwind über ihn gekommen, als er in ein Glas vertieft abseits auf einer Terrasse gestanden hatte. Sie hatte in ihm eine besondere Herausforderung für die Anziehungskraft ihres Charmes gesehen und er hatte nach wenigen Augenblicken die Waffen gestreckt.
    Seither waren sie unzertrennlich und obwohl Ariane der Überzeugung war, dass Ehelosigkeit die adäquate Antwort auf den Status der verheirateten Frau in der englischen Gesellschaft war, hatte sie im vergangenen Frühjahr, als er ihr inmitten des Wochenmarktes von Covent Garden einen Antrag gemacht hatte, zu seiner großen Erleichterung unter Tränen eingewilligt.
    Er hoffte, dass die heutige Einladung eine Ausnahme von der Regel sein würde. Zumindest versprach sie eine gute Gelegenheit zu sein, mit dem widerlichen Goebbels um der Sache willen in engeren Kontakt zu treten.
    Konzentriert arbeitete Clarson an der mit Sorgfalt gebundenen Fliege, bis beide Flügel exakt ebenmäßig und waagrecht auf dem gestärkten Kragen auflagen. Mit den Fingerspitzen zupfte er ein einzelnes graues Haar von seiner Schläfe und grinste sich an. Durch die Tür hörte er Ariane und Magda im Nebenzimmer streiten.
    Goebbels hatte sie in einer großzügigen Geste in der Gneisenau-Suite des Hotel Adlon untergebracht. Auf diese Weise vermied er es, die ungeliebte Schwägerin unter dem eigenen Dach zu haben. Die Rechnung ließ er vom NSDAP-Gau Berlin begleichen, den er im Nebenberuf leitete.
    Obwohl die Nazi-Führungsriege das Hotel Kaiserhof gegenüber der Reichskanzlei bevorzugte, galt das Adlon nach wie vor als erstes Haus der Stadt. Angehörige des Hochadels, Wirtschaftskapitäne und Filmstars der UFA gehörten zu den regelmäßigen Gästen. Wohlhabende amerikanische Touristen dagegen, vor 1933 gern und viel gesehen, machten kaum noch hier Station. Ihren Platz hatten illustre Figuren aus den Randbezirken der Naziprominenz eingenommen: Hitlers Lieblingsbildhauer, die Mätresse des Schatzmeisters der Partei und die englische Schwägerin des Propagandaministers.
    Seine Lage erschien ihm immer noch unwirklich und seine Zweifel an Sinn und Zweck des ganzen Abenteuers hatten längst die Oberhand gewonnen. Während Europa dabei war, durch die deutschen Drohungen gegen den tschechoslowakischen Nachbarn in die nächste Krise stürzen, hatte Clarson die letzten beiden Wochen mit Stadtrundfahrten und Theaterbesuchen vertan. Unterdessen veranstaltete Magda mit Ariane endlose Einkaufsbummel, auf denen sie in den Boutiquen Berlins wie königliche Prinzessinnen hofiert wurden. Es würde viel Zeit kosten, Goebbels’ Abneigung gegen den ungewollten Zuwachs seiner Familie in ein Vertrauensverhältnis umzuwandeln, und Clarson hatte entschieden, dass penetrante Anbiederung ein ungeeignetes Mittel war, diesen Prozess abzukürzen.
    Einen anständigen Poloklub ausfindig zu machen, hatte sich indes in dieser Stadt als ein unmögliches Unterfangen erwiesen. Nach seiner Bruchlandung in einem mittelenglischen Rübenfeld hatte es ihn eine Unzahl schweißgebadeter Nachmittage gekostet, das Unmögliche möglich zu machen und auch mit einem unbeweglichen Knie eine Stütze des St. Albans Gentlemen’s and Polo Clubs zu bleiben. Er hatte feststellen müssen, dass Hakenkreuze und Hitlerporträts in diesem Land zur üblichen Innenausstattung der Klubhäuser gehörten. Sein Bedauern über den Misserfolg

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