Die Göring-Verschwörung
ein paar Nettigkeiten über seinen Ehrengast von sich gab. »Fällt einem fast schwer zuzuhören«, kommentierte er. »Dabei kann er die Nazis in Wahrheit genauso so wenig ausstehen wie wir alle.« Er kam dicht an Clarsons Ohr heran. »Dieser Goebbels ist wirklich ein abscheulicher Giftzwerg.«
Die offenen Worte des Handelsattachés ließen Clarson die Augenbrauen heben. Wardley war immerhin ein ranghoher Diplomat und er ein Verwandter des Gescholtenen.
»Sie pflegen eine befremdliche Wortwahl für einen Mann Ihres Berufsstandes.« Clarson warf dem halb hinter ihm stehenden Wardley einen kritischen Blick zu. »Und drücken Ihr Sentiment gegenüber dem Schwager meiner Frau recht offen aus.«
»Das kann ich tun, weil ich weiß, dass Sie es ebenso sehen.«
Clarson horchte auf. »Woher glauben Sie, das zu wissen?«
Wardley leerte seinen Champagner in einem Zug.
»Treffen Sie mich in zehn Minuten in der Bibliothek auf eine Zigarette.«
»Ich rauche nicht.«
»Machen Sie heute mal eine Ausnahme«, gab Wardley grinsend zurück, bevor er ohne Abschied abging, um sich anderen Gästen zuzuwenden.
Ariane starrte Clarson wissend an. Er nickte. Wardley musste die Kontaktperson sein.
Die Reden waren gehalten und allgemeiner Smalltalk setzte ein. Vizebotschafter Ashfield mischte sich unter seine Gäste.
»Wie schön, dass Sie unserer Einladung folgen konnten«, sagte er, bei Clarson und Ariane angekommen. »Ich bin froh um jedes Element, das die freundschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und dem Königreich stärkt.«
Ashfields Erscheinung hob sich ab vom antrainierten Charme des Durchschnittsdiplomaten. Sein Mienenspiel war distinguiert und zurückhaltend, aber mit einem betont freundlichen, fast flirtenden Zug, der augenblicklich eine Verbindung zu seinem Gegenüber herstellte. Man konnte sich gut vorstellen, dass die Damen in den Ballsälen einst vor dem jungen, großgewachsenen Ashfield dahingeschmolzen waren, während er mit galanter Leichtigkeit die Ränge seiner Zunft emporgeklommen war.
Seine Exzellenz war überdies ein vollendeter Gastgeber. Er stellte Clarson als ehemaligem Royal-Air-Force-Angehörigen den Air Attaché der Botschaft, Peter Ellis, vor und sorgte dafür, dass die beiden ungestört plaudern konnten. »Verehrte Frau Clarson«, sagte er lächelnd, »kommen Sie, bitte, ich möchte Sie meiner Frau vorstellen.«
Obgleich noch jung an Jahren, hatte Ellis bereits den Gutteil seines Haupthaares eingebüßt. Seine bleicher Teint war durchzogen von einem Netz haarfeiner Blutgefäße, die deutlich auf seinen Wangen hervortraten. Clarson schätzte ihn auf Ende dreißig, sie mussten also ungefähr zur gleichen Zeit gedient haben. Es würde eine der typischen Unterhaltungen zwischen Air-Force-Männern werden. Ein wenig Geplauder über die Zeit des aktiven Dienstes und die Kameraderie unter den Männern der Lüfte, gepaart mit ein paar Seitenhieben auf Army und Navy, gegenüber denen sich die Air Force zurückgesetzt sah.
Doch Ellis folgte nicht dem üblichen Ritual. »Sie wollen nach Deutschland übersiedeln?«, fragte er ohne Einleitung, begleitet von einem musternden Blick.
»Ich erwäge es.«
»Sie wissen, wie es um die Beziehungen zu Deutschland im Moment steht? Es kann Krieg geben.«
»Als ich den Vizebotschafter vorhin sprechen hörte, hatte ich nicht den Eindruck.«
»Es ist seine Aufgabe, das Verhältnis zum Gastland zu pflegen. Ashfield tut seinen Job«, antwortete der Attaché ohne viel Respekt für den Vizebotschafter in der Stimme und schaute Clarson scharf an: » Er dient seinem Land.«
Ellis stand etwas windschief vor ihm, atmete angestrengt und roch nach Brandy. Ein angetrunkener Air-Force-Offizier, der ihm eine Szene machen wollte, war das letzte, was Clarson gebrauchen konnte. Es war besser, das Gespräch rasch zu beenden. Ellis kam bis auf wenige Zentimeter an ihn heran und Clarson konnte seinen sauren Atem riechen.
»Die Nazis halten uns alle für Idioten«, raunte der Diplomat etwas zu laut. »Ist auch kein Wunder, wenn man sich ansieht, was Hitler mit Europa gemacht hat in den letzten Jahren: Vertragsbrüche, Aufrüstung, Annexionen – und wir haben alles geschluckt und abgenickt.« Er fasste Clarson am Oberarm und warf sich gönnerhaft in die Brust. »Sollten Sie je in Schwierigkeiten geraten, können Sie sich gerne an mich wenden. Einem Air Force-Kameraden stehe ich immer zur Seite.«
Clarson gab seiner Stimme einen amüsierten Ton: »Warum sollte ich in
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