Die Göring-Verschwörung
des Gebäudes abtrennte. Da hier stets drei oder vier Sicherheitsbeamte herumlungerten, war das Placet des diensthabenden Empfangschefs, dessen Pult man in der Mitte der Halle postiert hatte, die einzige Möglichkeit, über den Eingangsbereich hinauszugelangen.
Bis hierher war, wie von Göring versprochen, alles problemlos verlaufen. Auf der kurzen Strecke vom Adlon hierher hatte Clarson keinerlei Observation bemerken können. Einzig ein leichter Schmerz im Unterleib meldete sich bei jedem seiner Schritte als kleiner Gruß von Struttner.
»Wo kann ich Seine Exzellenz antreffen?«, fragte Clarson ungeduldig.
»Ich kann Ihnen darüber keine Auskunft geben.«
»Es handelt sich um eine Angelegenheit von außerordentlicher Wichtigkeit. Der Vizebotschafter wird wollen, dass ich mich unverzüglich mit ihm in Verbindung setze.«
»Ich kann Ihnen keine Auskunft geben, weil ich es nicht weiß. Seine Exzellenz pflegt mich nicht über sein Leben außerhalb der Vertretung auf dem Laufenden zu halten.«
»Er kann wohl kaum spurlos vom Erdboden verschwunden sein! In dieser krisenhaften Situation muss der agierende Botschafter doch für die Regierung des Gastlandes erreichbar sein.«
»Kommen Sie denn im Auftrag der deutschen Regierung?«, war die ironische Replik des Diplomaten, die Clarson in gewisser Weise hätte bejahen können.
Er war ratlos und tippte mit dem Stock gegen die Vorderfront des Empfangspults. Er hatte sein Blatt willentlich überreizt, als er Göring im Glauben gelassen hatte, ein Vertrauter Ashfields zu sein. Ein in einer Ecke sitzender Sicherheitsbeamter schaute unwirsch zu ihm hinüber.
»Lassen Sie mich mit dem Air Attaché sprechen«, sagte Clarson endlich.
Sein Gegenüber schien zunächst nach einem Grund zu suchen, ihm auch diese Bitte abzuschlagen, wies den Sicherheitsbeamten dann aber doch an, ihn zu dessen Büro zu geleiten.
Clarson bezog den trinkfreudigen Ellis nur ungern in die Affäre mit ein, doch er sah keine andere Möglichkeit. Wohin auch immer Ashfield entschwunden war, er würde kaum eine Auszeit von seinen Dienstpflichten nehmen, ohne die leitenden Angestellten der Botschaft ins Bild zu setzen.
»Herr Attaché«, eröffnete er ihm, nachdem er gegenüber Ellis ’ Schreibtisch Platz genommen hatte und das Begrüßungsritual abgeschlossen war. »Ich setze meine Hoffnung darauf, dass Sie über den Aufenthaltsort des Vizebotschafters informiert sind. Ich habe eine außerordentlich wichtige Nachricht für Seine Exzellenz, die keinen Aufschub duldet.«
»Sie müssen entschuldigen, dass ich mit meiner Arbeit fortfahre«, antwortete Ellis, als hätte er Clarson nicht richtig zugehört. »Aber diese Schreiben sollen heute noch das Haus verlassen.«
Er hatte sich eine Stelle seines mit Akten und Papieren übersäten Tischs freigekämpft und signierte, durch eine kleine Nickelbrille auf seiner Nasenspitze schauend, einige Briefe mit einem gravierten schwarzen Füllfederhalter. An der Wand hinter ihm hing eine riesige Weltkarte, auf der die zahllosen britischen Besitzungen rot hervorgehoben waren und die schon bald nicht mehr als ein Relikt aus einer vergangenen Zeit sein würde. Das Empire wusste, dass seine Tage gezählt waren. Doch es war entschlossen, mit Würde unterzugehen und bis zuletzt die ihm zugefallene Rolle auf der Weltbühne zu spielen.
»In welcher Angelegenheit wünschen Sie Seine Exzellenz zu sprechen?«
»Tut mir leid, ich bin nicht autorisiert, mich vor Dritten dazu zu äußern.«
Ellis beäugte ihn interessiert, zuversichtlich bald mehr zu erfahren. »Ich verstehe, doch ich fürchte, ich kann Ihnen in diesem Fall nicht weiterhelfen.«
Nun begann der unangenehme Teil. Um Ellis kooperativ zu stimmen, musste er ihm die Wichtigkeit seines Anliegens klarmachen, ohne zu viel preiszugeben. Bei aller Hemdsärmeligkeit, die der Diplomat gelegentlich zur Schau trug, haftete ihm doch eine Aura des Undurchschaubaren an, die verhinderte, dass Clarson ihm Vertrauen schenkte. Wie immer er es anfangen würde, er würde unweigerlich die Neugier des Attachés entfachen.
»Die Nachricht, die ich, wie ich bereits betonte, dringlichst zu übermitteln beauftragt bin, ist von staatspolitischer Bedeutung.«
Ellis zuckte mit den Schultern und schloss dabei für eine Sekunde die Augenlider, deren Rötung sich deutlich von seiner weißen Gesichtsfarbe abhob. Er schickte sich an, weitere Abschriften seines Briefes zu signieren.
»Ich handele im Auftrag eines führenden Vertreters des
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