Die Göring-Verschwörung
Flächenbrand entsteht.«
Clarson war sprachlos.
»Bitte nehmen Sie doch wieder Platz, Herr Clarson«, sagte Ashfield wohlwollend. »Sie dürfen nicht vergessen, dass Deutschland nicht unser einziges Sorgenkind auf dem Kontinent ist. Das eroberungslüsterne Italien schielt gierig auf Albanien und die Sowjetunion wird, wenn sie sich erst von Stalins Säuberungsaktionen erholt hat, eine ganz neue und völlig unkalkulierbare Gefahr darstellen. Die angrenzenden Kleinstaaten würden ihr hilflos ausgeliefert sein, wenn den Sowjets nicht ein starkes Deutschland gegenüberstände. Den Wiederaufstieg der deutschen Militärmacht beurteilen wir angesichts dessen nicht pauschal negativ. Es kommt jetzt darauf an, Hitlers überbordende Ambitionen zu zähmen. Dann wird er bald schon ein unverzichtbarer Faktor in einem neuen europäischen Mächtegleichgewicht sein. Die aktuelle Krise ist nicht mehr als ein Detail, wenn Sie es aus einer langfristigen und gesamteuropäischen Perspektive betrachten.«
»Das heißt, die Tschechen werden auf dem Altar des europäischen Friedens geopfert?«
»Ich fürchte, das ist bereits geschehen, als wir im letzten Jahr das Münchener Abkommen unterzeichneten.«
Bei den Verhandlungen in der bayerischen Hauptstadt im vergangenen Herbst hatten Frankreich und Großbritannien der Abtrennung des Sudetenlandes, des mehrheitlich deutsch besiedelten Teils der verbündeten Tschechoslowakei, und seiner Angliederung an Deutschland zugestimmt, ohne dass die Prager Regierung selbst zu den Verhandlungen zugelassen gewesen wäre.
Clarson setzte sich wieder. Er hatte nicht erwartet, dass es so schwer werden würde. Natürlich war die anonyme Nachricht eines geplanten Umsturzes kaum konkret genug, um auf großes Vertrauen zu stoßen. Doch Ashfield glaubte noch nicht mal an den bevorstehenden Kriegsausbruch.
»Ich versichere Ihnen, eine aktive und machtvolle Opposition gegen Hitler steht in den Startlöchern.«
»Sie haben mir immer noch nicht verraten, wer diese mysteriöse Opposition überhaupt sein soll.«
»Die Männer, in deren Auftrag ich mich an Sie wende, wollen zunächst ungenannt bleiben. Mein Auftrag ist es lediglich, eine Stellungnahme entgegenzunehmen, ob man im Eventualfall mit der Unterstützung der Regierung Seiner Majestät rechnen kann.«
»Was soll das bedeuten, die Oppositionellen möchten ungenannt bleiben? Woher beziehen Sie Ihre Kenntnisse?«
Clarson schüttelte den Kopf.
Ashfield tat es ihm nach. »Es tut mir leid, das geringe Ausmaß an Information ermöglicht mir keine solche Stellungnahme.«
»Sie können den Premierminister doch zumindest darüber in Kenntnis setzen, dass eine Anti-Hitler-Opposition existiert, die den Kontakt nach London sucht und auf Unterstützung der Regierung Seiner Majestät baut.«
»Ich bedaure, das ist ausgeschlossen. Mit so etwas kann ich unmöglich zu meinem Minister gehen, von Chamberlain persönlich ganz zu schweigen.«
»Exzellenz! Sie wollen einfach nichts tun? Gar nichts?«
»Was soll ich dem Premierminister denn sagen? Ich habe nichts weiter als die Aussage eines Einzelnen, eines Außenstehenden, wie ich hinzufügen möchte. Was glauben Sie, wie viele Verschwörungstheorien und absurde Initiativen im derzeitigen Klima in diplomatischen Kreisen herumspuken? Wozu dem Premierminister die Zeit stehlen mit einer Geschichte von einer Verschwörung, von der wir nicht das Geringste wissen?«
»Ohne ein Zeichen aus London wird es keinen Umsturzversuch geben. Sie, Exzellenz, haben gleichsam das Schicksal der Opposition gegen Hitler in der Hand.«
Ashfield winkte ab. »Wie plante diese Opposition , wie Sie sie nennen, denn, gegen Hitler vorzugehen, der einen mächtigen Sicherheitsapparat und Millionen begeisterter Nazis hinter sich weiß? Wie sollen wir beurteilen, ob ihre Männer auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg haben? Wer garantiert uns, dass eine neue Regierung tatsächlich eine Verbesserung der internationalen Lage mit sich bringen würde?«
Ashfield hatte natürlich recht mit seinen Einwänden. Im Grunde war Clarson sich von Beginn an bewusst gewesen, dass er von Görings Vorgaben abweichen musste. Er heftete seinen Blick auf den Vizebotschafter, während er die Bombe platzen ließ. »Der Kopf der Verschwörung heißt Hermann Göring.«
»Göring?«, Ashfields Gesicht gefror vor Erstaunen. »Göring? Woher haben Sie diese Information?«
»Von ihm persönlich. Er hat mir gestern Nacht aufgetragen, Sie aufzusuchen und um Unterstützung
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