Die Göring-Verschwörung
Ich müsste mich mit den übrigen Herren absprechen.«
»Für Absprachen bleibt keine Zeit mehr!«, rief Göring, nun ganz in seinem Element. »Dies ist der Augenblick der Entscheidung. Ihre Offiziere haben sich an uns gebunden, als sie zustimmten mitzutun. Wir müssen jetzt ein klares Signal ausgeben. Unsicherheit im Führen erzeugt bloß Unsicherheit im Folgen. Die Zusage Britanniens wird eintreffen – noch heute Vormittag. Die Frage ist, wann die Herren von der Kriegsakademie bereit sein können.«
»Von Dannegger und seine Leute sitzen in ihren Büros in der Kruppstraße. Alles ist seit gestern in höchster Alarmbereitschaft und erwartet Befehle vom Oberkommando.«
»Dann könnten sie also durchaus in kürzester Frist aktiviert werden?«
»Ohne Zweifel.«
»Hitler pflegt vor einer Reise stets sein gewohntes Mittagessen in vertrauter Runde einzunehmen. Er hat sich das wegen seines empfindlichen Magens zur Angewohnheit gemacht. Das ist unser Moment. Es geht dort immer sehr informell zu. Sie müssen lediglich die Wachen im Eingangsbereich der Alten Reichskanzlei überwinden.«
»Eine Abordnung der Kriegsakademie könnte in meiner Begleitung dem Führer ganz offiziell seine Aufwartung vor dem anstehenden Feldzug machen.«
»Bitte, da haben Sie es. Das Ganze ist im Grunde einfacher als der ursprüngliche Plan. Es muss jetzt nur entschlossen gehandelt werden.«
»Die gesamte Mittagstafel würde einschließlich des Dienstpersonals arretiert bleiben müssen, bis wir genügend Einheiten in der Innenstadt in Stellung gebracht haben«, räsonierte Halder widerstrebend, das Szenario in seinem Kopf durchspielend. »Eventueller Widerstand von Tischgästen oder Ordonnanzen müsste mit der Schusswaffe gebrochen werden.«
»Hitler führt selbst stets eine Waffe in der Innentasche seiner Jacke mit sich.«
»Aufgrund des Überraschungsmoments könnte die Aktion gänzlich unblutig vonstattengehen.«
»Wir haben nur diese eine Gelegenheit«, drang Göring in den Generalstabschef. »Geben Sie Ihren Männern das Signal: London wird mitspielen! Es gilt jetzt, die einmalige Chance zu nutzen!«
Halder zögerte, eine Antwort zu geben.
»Hitler liebt die ausgedehnte Mittagspause«, sprach Göring erregt weiter. »Doch darauf dürfen wir es nicht ankommen lassen. Sobald er sich in den Speisesaal der Alten Reichskanzlei begibt, ist der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Ich lasse Adjutant von Below informieren, dass er mich telefonisch auf dem Laufenden hält und Nachricht gibt, sobald der Führer sich zu Tisch begibt. Wie lange brauchen Sie von der Kruppstraße zur Reichskanzlei?«
»Zwanzig Minuten, nicht mehr«, antwortete Halder. »Wenn keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten auftauchen.«
»Was sollte Schwierigkeiten machen? Goebbels könnte als Gauleiter von Berlin mit der örtlichen SA für Unruhe sorgen, doch den kassieren wir an Hitlers Tafel gleich mit ein. Und Himmler werde ich persönlich einen Überraschungsbesuch abstatten.«
»Was ist mit Heydrich?«
»Heydrich wird der Neuordnung der Reichsspitze nicht entgegenstehen«, winkte Göring ab. »Er wird im Gegenteil glücklich sein, Himmler loszuwerden.«
Halder verzog das Gesicht. Göring wischte Bedenken mit allzu leichter Hand vom Tisch. »Er ist ein unberechenbarer Mann, dem nicht zu trauen ist. Denken Sie nur an Weihnachts Schicksal.«
»Der Gruppenführer ist vollständig in der Gewalt eines überkochenden Ehrgeizes, der sein ganzes Handeln bestimmt. Doch solange ihm Himmler vor der Nase sitzt, kann er nicht weiter kommen. Die neuen Machtverhältnisse nach unserer Aktion werden ihm daher wie gerufen kommen und er wird den Teufel tun, seinem Vorgesetzten, für den er bloß Verachtung übrighat, beizuspringen. Überlassen Sie die Neutralisierung der staatlichen Sicherheitsorgane getrost mir, so wie es vereinbart war. Ich war bis vor ein paar Jahren selbst Dienstherr der Polizei, ich weiß, wie man den Laden unter Kontrolle hält.«
Halder nickte langsam mit zweifelnder Miene, während Göring weitersprach.
»Es ist ganz einfach. Wir lassen Hitler heute Vormittag den Krieg erklären, setzen ihn anschließend fest und sobald die Antwort der Westmächte vorliegt, treten wir vor das deutsche Volk.«
»Was ist, wenn es länger dauert, bis London und Paris reagieren?«
Göring griff mit einer flinken Handbewegung zum Telefon und ließ sich mit einem seiner Referenten verbinden. »Für wann ist die Sitzung des französischen Parlaments anberaumt?« Er lauschte
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