Die Göring-Verschwörung
altgermanische Symbole eingraviert waren. Die hohen Wände hinter ihm zierten zwei überlebensgroße, goldumrahmte Gemälde mythischer Helden des neuen Deutschlands: links Siegfried vor dem getöteten Drachen in einer Pose voller Stummfilmdramatik, rechts der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, in nazi-braunem Mantel mit Hakenkreuzbinde auf einem Hügel stehend, den Blick in die Ferne gerichtet.
Es war nicht Halders erster Besuch in Görings Büro im Reichsluftfahrtministerium, dessen Ausmaße Hitlers Arbeitszimmer in der Neuen Reichskanzlei nur wenig nachstanden. Er hatte nie Anstoß an der Vorliebe des Marschalls für Prunk und Protzereien genommen, sondern sie stets mit einem Kopfschütteln abgetan. Heute spürte er erstmals Überdruss an diesem Gebaren.
Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich, angefüllt mit nicht enden wollenden. nervenzermürbenden Besprechungen zur Organisation einer Angriffsoperation, die plötzlich unmittelbar bevorstand und sein eigentliches Vorhaben mit einem Schlag zunichte gemacht hatte. Über Monate hinweg hatte Halder akribisch im Geheimen daran gearbeitet, Mitstreiter zu finden, die bereit waren, den schweren Weg mit ihm zu gehen. Innerhalb einer einzigen Nacht war nun alles zu Staub zerfallen. Seine Mission war gescheitert, die Tür war zugeschlagen. Die desaströse Wendung der Ereignisse hatte ihn auch spät in der Nacht, als sich der Führer endlich in seine Privatgemächer in der Alten Reichskanzlei zurückgezogen hatte, keinen Schlaf finden lassen. Auf dem Antlitz seines Gegenübers dagegen – der Noch-Oberbefehlshaber der Luftwaffe hatte seinen Generalinspekteur an seiner Stelle an den Konferenzen teilnehmen lassen – hatten die Vorgänge der letzten Nacht dem Anschein nach keinerlei Spur hinterlassen.
»Nach allem, was wir in Erfahrung bringen konnten«, setzte Halder seinen Bericht fort, »war alles auf das Dilletantischste vorbereitet und Himmler hat, als die Sache schon verloren war, statt den Rückzug anzuordnen, noch zusätzliche Einheiten in das bereits aussichtslose Unternehmen gepumpt. Das Ergebnis war ein Chaos auf dem kleinen Brückenkopf. Als Himmler schließlich den längst überfälligen Befehl zum Abbruch gab, artete der Rückzug in eine unorganisierte Flucht aus.«
Göring hatte den linken Ellenbogen auf der Armlehne abgestützt, zwei Finger seiner Hand an sein Kinn gelegt und hörte schweigend zu.
»Die Boote mussten sich unter hohem Blutzoll durch das Sperrfeuer der tschechischen Artillerie kämpfen«, sprach Halder weiter. »Der ganze Generalstab ist außer sich und hat eine Mordswut auf die SS und ihren Reichsführer.«
»Die Wut sollte sich gegen Hitler richten. Er war es schließlich, der ihr den Befehl gegeben hat, auf eigene Faust vorzupreschen», bemerkte Göring kühl. »Im Grunde hätte es nicht besser für uns laufen können. Das Offizierskorps verzeiht einem politischen Führer so ziemlich alles, nicht aber militärische Hasardeurspiele, die derart katastrophal enden.«
»Was nützt das noch?«, entgegnete Halder, den Blick auf das Gemälde Adolf Hitlers gerichtet. »Dieser Mann ist Deutschlands Schicksal.«
»Jetzt nehmen Sie doch erst einmal Platz, General!«, antwortete Göring.
Halder zog es vor, stehen zu bleiben. Hitler hatte die Initiative ergriffen, mutwillig den Krieg vom Zaun gebrochen und, wie so oft zuvor, alle anderen ausmanövriert. Die Katastrophe würde ihren Lauf nehmen und mit den Nazis an den Schalthebeln war auf ein baldiges Ende nicht zu hoffen. Was übrig blieb, war die Angelegenheit so anständig wie möglich abzuwickeln. »Sie dürfen den Befehl, Prag zu bombardieren, nicht ausführen, Herr Generalfeldmarschall.«
Göring stutzte. »Das ist völlig ausgeschlossen!«
»Ein Terrorangriff gegen zivile Einrichtungen wird es nur schwerer machen, zu einem Verständigungsfrieden zu kommen.«
»Der Führer würde mich sofort aus allen Ämtern werfen, vielleicht sogar unter Arrest stellen.«
»Wollen Sie wirklich für den Tod von Tausenden von Zivilisten verantwortlich sein?«
»Diese Verantwortung trägt der Führer. Es schadet gar nichts, wenn die Alliierten einen Geschmack davon bekommen, was ihnen bevorsteht. Das kann für die Ausführung unserer Pläne nur hilfreich sein.«
»Unsere Pläne sind bloß noch Makulatur, Herr Generalfeldmarschall. Es geht jetzt darum, die ganze Sache, die nun einmal unvermeidlich ist, in einer Weise über die Bühne zu bringen, dass wir unseren Kindern noch ins Gesicht
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