Die Götter 2. Das magische Zeichen
auf die abgestellte Laterne zu, als Zejabel ihn mit einer kurzen Kopfbewegung zu sich beorderte. Er nahm die Lampe und trat neben seine Mutter vor die Öffnung. Beide hatten ihre Waffen gezogen.
Sie bückten sich zum Schutz gegen den aufwirbelnden Staub und drangen so weit wie möglich in den Gang vor. Josion und Zejabel ahnten längst, was sie vorfinden würden.
Und richtig: Gegen Ende des Gangs, unweit des Spalts, durch den sie sich wenige Dezimen zuvor gezwängt hatten, schnitt ihnen ein Haufen Steinbrocken den Rückweg ab. Natürlich könnten sie ihn nach und nach abtragen – allerdings bestand die Gefahr, dass die restliche Decke einstürzte und sie unter sich begrub, ganz davon abgesehen, dass ihre Feinde wahrscheinlich auf der anderen Seite warteten.
Mutter und Sohn wechselten einen kurzen Blick und kehrten zu den anderen zurück.
Die erwarteten sie ungeduldig.
» Der Weg ist versperrt « , berichtete Josion ernst. » Najel, was ist geschehen? «
Verstört sah der Junge ihn an. Während des Einsturzes hatte er direkt neben der Öffnung gestanden und musste die Druckwelle mit voller Wucht abbekommen haben. Doch er erholte sich rasch wieder von dem Schreck und wedelte aufgeregt mit den Armen.
» Ich habe jemanden sprechen hören! Unten im Gang. «
Die anderen starrten ihn verblüfft an.
» Aber da ist niemand « , meinte Zejabel.
» Ich bin mir ganz sicher! Jemand hat ›Los!‹ gesagt. «
Die Mienen seiner Gefährten verfinsterten sich. Josion spürte einen Energiestoß durch seinen Körper fahren, wie immer, wenn Gefahr drohte. Also war der Gang nicht von selbst eingestürzt. Sie saßen in der Falle. Sie mussten, so schnell es ging, einen Weg nach draußen finden!
Hastig ließ Josion den Blick über die umliegenden Wände schweifen. Bisher hatte er nicht bemerkt, wie sehr der Felskessel einem Gefängnis glich. Er entdeckte eine Wand, die nicht ganz so hoch wie die anderen war, und rannte darauf zu. Im Laufen wickelte er die Kette seines Zarratt ab und schleuderte die Keule, die an einem Ende befestigt war, in die Höhe. Gleich beim ersten Versuch hatte er Glück: Die Keule verkantete sich in einer Spalte, und Josion zog sich in Windeseile an der Kette die Wand hoch. Er ahnte, nein, er wusste, dass das Schicksal seiner Freunde von seiner Schnelligkeit abhing. Schon hörte er auf der anderen Seite der Felswände Füße scharren. Sie waren umzingelt! Die Kerle, die ihnen die Falle gestellt hatten, wollten ihre Opfer jetzt gefangen nehmen. Oder sie gleich töten …
Würde er rechtzeitig oben ankommen? Es war eine Frage von wenigen Herzschlägen. Als er mit der Hand über die Kante fasste, hörte er jemanden fluchen. Er hatte verloren. Ein harter Gegenstand sauste auf Josions Finger nieder, mit denen er sich am Fels festklammerte. Er schrie auf, ließ los und fiel rückwärts ins Leere. Mit einem dumpfen Aufprall landete er auf dem Steinboden, sprang aber sofort wieder auf und versuchte, den stechenden Schmerz zu verdrängen, wie seine Mutter es ihn gelehrt hatte. In diesem Moment spürte er jemanden an der Kette ziehen. Wieder überließ er sich seinen Reflexen und holte die Waffe mit einem Ruck ein, bevor der Gegner sie ihm entwinden konnte.
Er sah sich rasch um und musste feststellen, dass sie tatsächlich in der Falle saßen. Acht Männer standen oben auf den Felsen, und weitere warteten vermutlich auf der anderen Seite. Offenbar hatten sie Leitern benutzt, sonst wären sie nicht so schnell oben angekommen. Auf der Stirn der Kerle prangte das ihm mittlerweile wohlbekannte Zeichen. Drei richteten eine Armbrust auf die Gefährten, vier weitere waren mit Lanzen bewaffnet. Der achte Mann hingegen war unbewaffnet. Er musste einer der Hexer sein, der die Kerle begleitete.
Josion sah sich nach den anderen um. Maara fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen, Lorilis war völlig verloren, und Najel versuchte, sich mutig zu geben, wirkte aber mehr denn je wie ein kleiner Junge. Damián wiederum suchte verbissen nach einem nicht vorhandenen Ausweg, während Souanne und Guederic die Männer wütend anfunkelten. Die beiden sahen aus, als hätten sie sich am liebsten auf die Kerle gestürzt und ihnen mit bloßen Händen den Hals umgedreht. Nur Zejabel blieb merkwürdig ruhig. Sie wirkte gefasst, als ginge sie das alles nichts an. Hatte sie sich schon mit ihrer Niederlage abgefunden? Josion hatte den Eindruck, dass seine Mutter von ihm enttäuscht war. Wenn er die Felswand schneller erklommen hätte,
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