Die Götter 2. Das magische Zeichen
aber der nächste Feind stand zu weit oben, außerhalb ihrer Reichweite. Enttäuscht sah sie sich um und entdeckte Damián, der von einem Speerkämpfer bedroht und in die Enge getrieben wurde. Ohne nachzudenken ging sie schnurstracks zu dem Kerl und erledigte ihn mit einem gewaltigen Hieb in den Rücken. Sie schloss kurz die Lider, um das überwältigend schöne Gefühl auszukosten. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie direkt in Damiáns Gesicht. Sie meinte Tadel und Sorge in seinem Blick zu lesen. Immerhin hatte sie ihm gerade das Leben gerettet! Was gab ihm also das Recht, sie so anzustarren?
» Souanne? Ist alles in Ordnung? « , fragte er außer Atem.
» Alles bestens! « , erwiderte sie mit sich überschlagender Stimme.
Die Legionärin hatte nicht einmal mehr ihre eigenen Stimmbänder im Griff. Verwirrt und leicht beschämt wandte sie sich ab und widmete sich erleichtert dem nächsten Gegner, der auf sie zustürmte. Es bereitete ihr nach wie vor keinerlei Mühe, die Angriffe abzuwehren. Sie musste sich einfach nur von ihren finstersten Gelüsten leiten lassen. In einem Aufblitzen von Klarheit verstand die junge Frau, dass der Hunger, der sie anspornte, unersättlich war. Schlimmer noch, er wurde sogar immer größer. Je mehr Männer sie tötete, umso dringlicher wurde ihr Verlangen … Zugleich wurde die Erfüllung, die sie durch den Akt des Tötens erfuhr, mit jedem Mal schwächer und dauerte immer kürzer.
Diese Erkenntnis in Verbindung mit Damiáns Missbilligung schmälerte ihr Vergnügen beträchtlich. Plötzlich hatte sie es gar nicht mehr eilig, ihren Gegner ins Jenseits zu befördern, obwohl sich ihr mehrere Gelegenheiten boten. Als sie sich schließlich doch dazu durchrang, hielt das wonnige Gefühl nur so kurz an, dass sie fast in Tränen ausbrach. Damián, der Ritter der Grauen Legion und Sohn des Mannes, den sie am meisten verehrte, hatte ihr einen verächtlichen Blick zugeworfen, und dieser Blick brannte sich in ihr Gewissen wie ein glühendes Eisen. Damián hatte ihre Freude am Töten gesehen, ihr Grinsen, als sie rücklings einen Mann erschlug. Und es hatte ihn mit Abscheu erfüllt! Souanne erkannte sich selbst nicht mehr wieder. Was für ein Monster war sie geworden?
Plötzlich sprangen die Angreifer alle gleichzeitig von der Felswand, offensichtlich entschlossen, dem Kampf ein Ende zu bereiten. Reflexartig hob Souanne den Arm, ließ ihn aber sofort wieder sinken. Sie warf Saats Schwert zu Boden, und die Waffe fiel klirrend auf den harten Fels vor Sombres Grab.
Dann wartete Souanne nur noch darauf, dass sie jemand von ihrem Fluch befreite.
Mit fliegenden Haaren und schweißnassem Körper verteidigte sich Maara nach allen Seiten. Noch nie hatte sie so heftig gekämpft. Ihr wichtigster Antrieb war die Angst: Die Erben waren dem Tod nah. So war sie direkt nach Zejabels Ablenkungsmanöver in die erste Reihe vorgeprescht, und als die Mörder dann von den Felsen heruntersprangen und das Grab umzingelten, ließ sie ihrer Wut und Verzweiflung freien Lauf. Jeder Lowahieb, jedes Abwehren der feindlichen Klingen mit dem Schild schien von der Hand ihres Vaters geleitet. Hinter der Raserei der jungen Barbarenprinzessin verbarg sich der Schatten Ke’b’rees, des Königs von Wallos, und alle Mörder, die in Reichweite ihrer Lowa kamen, mussten dies teuer bezahlen.
Maara hatte bereits vier oder fünf Männer verwundet, manche, die so schlau waren, sich rasch zurückzuziehen, nur leicht, andere tödlich. Nicht weit von ihr entfernt vollbrachte Josion ähnliche Großtaten. Er hatte sich schützend vor den reglosen Körper seiner Mutter gestellt. Die Gefährten wussten nicht, ob Zejabel noch lebte. Im Kampfgetümmel blieb ihnen keine Zeit, sich um die Zü zu kümmern. Als die verbliebenen Angreifer die sechs kämpfenden Erben plötzlich umzingelten, wusste Maara, dass sie verloren hatten. Ihre Feinde waren einfach zu zahlreich. Dennoch focht sie entschlossen weiter, um möglichst viele von ihnen mit in den Tod zu reißen.
Sie hatte nicht vor, ihre Stellung aufzugeben, und Josions Unterstützung an ihrer Seite war ihr höchst willkommen. In diesem Moment fiel klirrend ein Schwert auf den Felsboden, und Maara sah kurz zur Seite, um nachzuschauen, was das Geräusch verursacht hatte. Fluchend stieß sie die beiden Männer zurück, gegen die sie sich zur Wehr setzte, und rannte hinüber zu Souanne. Sie kam gerade noch rechtzeitig, um den Schwertschlag zu vereiteln, der die Graue Legionärin der Länge
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