Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
Nadelbäume und Granitfelsen… Hier und da lagen sogar Kothaufen und verwesende Tierleichen herum. Es war das genaue Gegenteil von dem makellosen Bild, das sich Damián von der Kinderstube der Götter gemacht hatte. Was wollte ihm Guederic in dieser banalen Umgebung unbedingt zeigen?
Kurzzeitig dachte Damián, sein Bruder führe ihn zu der Pforte, die in der Mitte des Tals aufragte. Sie war das einzig Besondere weit und breit, das einzige Menschengemachte. Den Bogen hatte Damián ohnehin erkunden wollen, allerdings hatte er vorgehabt, damit zu warten, bis Nol und Souanne aufwachten. Doch bald war klar, dass sie gar nicht auf die Pforte zusteuerten, denn Guederic bedeutete ihm, auf die Knie zu gehen und sich auf allen vieren fortzubewegen.
Sie krochen einen kleinen Hang hinauf und kamen an unzähligen Kaninchenbauten vorbei. Die Nervosität des Ritters erreichte ihren Höhepunkt. Als Guederic ihn aufforderte, sich ins Gras zu ducken, ging Damián durch den Kopf, dass ihr Unterfangen gefährlich sein musste.
Sie erreichten die Hügelkuppe und spähten auf die andere Seite, und Damián rechnete damit, dass ihn jeden Moment ein wildes Tier ansprang– oder ein zorniger Ewiger Wächter, der der Vernichtung des Jal entgangen war. Daher überraschte ihn das Bild, das sich ihm bot, über alle Maßen.
» Das sind sogar noch andere als die, die ich vorhin gesehen habe«, wisperte Guederic.
Damián konnte nur nicken, während sich seine Gedanken überschlugen. Was hatte das zu bedeuten? Anstelle von Ungeheuern oder wilden Tieren sah er Menschen. Zwei Männer, eine Frau und einen kleinen Jungen von vier oder fünf Jahren, die Lumpen und Kleider aus Pflanzenteilen trugen. Sie pflückten Beeren und legten diese in einen geflochtenen Korb. Sie schienen keine Waffen zu tragen, was Damián zunächst beruhigte. Doch dann fiel ihm auf, dass die Erwachsenen etwa genauso alt waren wie er selbst. Das hieß, sie gehörten zur Generation, die kurz nach der Vernichtung des Jal zur Welt gekommen war.
Diese Erkenntnis ließ seinen Puls rasen, und er bedeutete seinem Bruder mit einem Zeichen, dass er umkehren wollte. Sie entfernten sich ein gutes Stück, bevor sie zu sprechen begannen.
» Das sind die Kinder des Dara! Die einstigen Götter!«, stieß Damián erregt hervor.
» Das kannst du nicht wissen«, widersprach Guederic. » Vielleicht ist es nur ein Bergvolk, das abgeschieden vom Rest der Welt lebt.«
» Bei den Lumpen, die sie tragen? Nie im Leben! Sie kommen woandersher, das ist offensichtlich, und wahrscheinlich haben sie eine lange Reise hinter sich, genauso wie der einfältige junge Mann, dem wir in Crek begegnet sind. Vielleicht hat sie die Sehnsucht nach dem Dara, an das sie sich vage erinnern, in dieses Tal gelockt. Das ist großartig…«
Damián redete sich in Fahrt; diese Entdeckung bestätigte die Forschungen seines Vaters. Doch als er die finstere Miene seines Bruders sah, verging ihm die Begeisterung. Die zaghafte Freude, die Maara auf Guederics Gesicht gezaubert hatte, war wie weggeblasen.
» Sie sind vor mir weggelaufen«, sagte Guederic betreten. » Nachdem ich euch vom Höhleneingang weggetragen hatte, ging ich zu ihnen, um sie um Hilfe zu bitten oder einfach mit jemandem zu reden. Aber sie nahmen vor mir Reißaus, als wollte ich ihre Kinder auffressen.«
Damián warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. Das war also der wahre Grund für Guederics verquollene Augen gewesen. Er hatte nicht geweint, weil er möglicherweise die Wiedergeburt Sombres war, sondern weil er fürchtete, für immer allein zu bleiben und von allen verstoßen zu werden. Schließlich hatte er nicht gewusst, ob seine Gefährten jemals wieder aufwachen würden. Und ob sie ihn nach dem Erwachen nicht davonjagen würden. Wenn er bedachte, mit welchem Einsatz Guederic in Erynes Waisenhäusern gearbeitet hatte und welche Zuneigung ihm die Kinder entgegengebracht hatten, konnte sich Damián nur zu gut vorstellen, wie sehr die Ablehnung dieser unschuldigen Seelen seinen Bruder gekränkt haben musste.
» Du warst sicher der erste Fremde, den sie seit Jahren zu Gesicht bekommen haben«, versuchte er seinen Bruder zu trösten. » Und mit deinen schmutzigen Kleidern und dem blutverschmierten Schwert siehst du nicht gerade vertrauenerweckend aus.«
» Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Guederic und zuckte mit den Schultern.
Die andere Möglichkeit, an die Guederic bestimmt auch dachte, war weniger schmeichelhaft: Vielleicht hatten sie ihn für
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