Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
sich für den Kummer entschuldigen, den seine Gefährten ihm bereitet hatten. Damián verstand einfach nicht, wie jemand einen Dämon in ihm sehen konnte. Die Brüder teilten so viele gemeinsame Erinnerungen: Sie waren miteinander aufgewachsen, und in den letzten Jahren waren sie sich regelmäßig im Haus ihrer Eltern begegnet. Sombre war nichts weiter als ein Phantom; Guederic hingegen war ein Mensch aus Fleisch und Blut mit seiner eigenen, unverkennbaren Persönlichkeit.
» Wie geht es dir?«, fragte er ein wenig unbeholfen.
Als sein jüngerer Bruder zaghaft lächelte, war seine Erleichterung groß.
» Schon viel besser. Ich nehme an, das musste mal gesagt werden. Es hätte viel schlimmer ausgehen können.«
» Aber was hältst du selbst von der Sache?«
Guederic atmete tief ein und aus, bevor er antwortete. Offenbar wollte er auf diese Weise die Beklemmung in seiner Brust lösen. Dann sah er Damián ernst an. » Ich glaube, ich bin weder ein Gott noch ein Dämon, falls du das meinst. Ich kann mich an kein früheres Leben oder irgendwelche mir unbekannten Ereignisse erinnern. Aber ich kann auch nicht so tun, als wäre in letzter Zeit nichts passiert. Meine Wutausbrüche und seltsamen Empfindungen müssen schließlich irgendwo herkommen.«
» Sie könnten auch eine ganz andere Ursache haben«, sagte Damián.
» Mag sein. Während ihr geschlafen habt, hatte ich viel Zeit, darüber nachzudenken, aber ich bin zu keinem Ergebnis gekommen. Da ihr mir euer Vertrauen ausgesprochen habt, werde ich versuchen, die Sache zu vergessen. Vater und Mutter werden mir ihre Version der Geschichte erzählen. Wir müssen sie bloß finden. An nichts anderes möchte ich zurzeit denken, Damián«, murmelte er.
» Wir waren unserem Ziel nie näher. Sobald Nol aufwacht, wird er uns den Weg weisen, da bin ich ganz sicher.«
Die beiden Brüder sahen unwillkürlich zu dem alten Mann hinüber. Doch auf einmal kamen Damián Zweifel. Würde Nol je wieder wach werden? Warum hatte er überhaupt die Besinnung verloren? Ihn dürfte wohl kaum die gleiche Müdigkeit übermannt haben wie die Erben… Schließlich lebte er offenbar bereits seit vielen Jahren in dem Tal und war ganz sicher an die hier herrschende Magie gewöhnt. Was also war der Grund für seine Ohnmacht?
Plötzlich stand Damián die Szene wieder vor Augen: Nol war in sich zusammengesackt, nachdem er in Guederic Sombre erkannt hatte– oder besser gesagt, zu erkennen geglaubt hatte. Der Anblick des einstigen Dämons musste den Hüter so tief erschüttert haben, dass sich sein Geist seither weigerte, wieder zu erwachen.
Damián dachte noch eine Weile mit ernster Miene über die Sache nach, bis er den Blick seines jüngeren Bruders auf sich spürte. Trotz seiner Unruhe gab er sich nach außen gelassen.
» Ich sehe mal nach Najel und Lorilis«, sagte er.
» Warte, ich möchte dir erst noch was zeigen. Komm mit.«
Damián nickte widerwillig, obwohl seine Neugier geweckt war. Mit einem Handzeichen bedeutete er Josion, dass er und Guederic eine Runde drehen würden, und lief dann seinem Bruder hinterher, der schon ein ganzes Stück vorausgegangen war. Nach ein paar Schritten wurde Damián mulmig zumute.
» Ich hoffe, wir gehen nicht allzu weit. Wir sollten uns nicht zu sehr von den anderen entfernen.«
» Das kommt ganz darauf an«, sagte Guederic. » Vielleicht haben wir Glück und müssen nicht lange suchen.«
» Wohin…«
» Du wirst schon sehen«, fiel ihm sein Bruder ins Wort. » Lass uns jetzt nicht mehr reden. Wir müssen leise sein.«
Seine Stimme klang streng, aber Guederics Augen funkelten schelmisch. Genauso hatte er ausgesehen, wenn er in Lorelia einen seiner Streiche ausheckte. Damián heftete sich an seine Fersen und schlich durchs hohe Gras wie ein Jäger auf der Pirsch.
Bisher war er nicht dazu gekommen, das sagenumwobene Tal genauer zu betrachten, aber jetzt hatte er endlich Gelegenheit dazu. Der erste Eindruck war enttäuschend. Die Reisetagebücher früherer Generationen schilderten prachtvolle Gärten, in denen wunderschöne Blumen blühten und Farben und Formen in harmonischem Einklang standen. Auch Zejabel hatte eine Landschaft von atemberaubender Schönheit beschrieben.
Doch die irdische Ausführung des Jal’dara war weit davon entfernt, diesem Bild zu entsprechen. Es handelte sich zwar um eine unerwartet grüne Oase zwischen kahlen Bergen, aber in der bekannten Welt musste es mindestens zehn vergleichbare Orte geben. Hoch gewachsenes Gras, Büsche,
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