Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
einstigen Gott, der seinem Paradies entrissen worden war. Sie bat um Frieden für Nols gequälte Seele und um Vergebung für all jene, die gezwungen gewesen waren, ihn zu dem zu machen, was er heute war; Vergebung für ihre Eltern, Großeltern und deren Freunde, zu denen auch Zejabel gehörte. Denn ohne sie würden seit zwanzig Jahren Dämonen die Welt beherrschen.
Als sie die Augen wieder aufschlug, zuckte sie zusammen. Nol der Seltsame war aufgewacht und sah mit traurigem Blick zu ihr hoch.
Lorilis rief ihre Gefährten herbei, und ihre Worte hallten in Guederics Ohren wie ein Donnerschlag. Nol war aufgewacht. Jetzt konnte der einstige Gott wieder sprechen, ihn wieder anklagen, mit dem Finger auf ihn zeigen und Rache schwören. Deshalb hatte sich Guederic so vor diesem Augenblick gefürchtet.
Während seine Gefährten schliefen, hatte er große Angst davor gehabt, seinem Bruder, Maara und den anderen gegenüberzutreten, und als sie ihm ihr Vertrauen ausgesprochen hatten, war er unendlich erleichtert gewesen. Aber womöglich würden sie es sich anders überlegen, wenn Nol ihnen seine Geschichte erzählte, ganz gleich, ob sie der Wahrheit entsprach oder nicht. Der alte Mann brauchte bloß wieder zu behaupten, Guederic wäre der grausamste Dämon, den das Karu je hervorgebracht hatte, und der Gedanke würde sich abermals in den Köpfen der anderen festsetzen. Dann drohten Guederic erneut Ablehnung, Verbannung und Einsamkeit. Noch einmal würde er das nicht verkraften.
Seit sie das Tal betreten hatten, war ihm keine Lüge über die Lippen gekommen. Er glaubte tatsächlich nicht, dass er die Wiedergeburt des Dämons war. War so etwas überhaupt möglich? Zwar brachtendie Namen Sombre und Saat eine ganz bestimmte Saite in ihm zum Schwingen, aber das war nur verständlich, wenn man bedachte, wie viel Leid die beiden den Familien der Erben zugefügt hatten.
Guederickonnte sich nicht an ein früheres Leben erinnern, schon gar nicht an ein Leben als Dämon. Es war, wie Josion gesagt hatte: Er war Guederic, niemand sonst. Guederic von Kercyan, Erynes und Amanóns Sohn. Dieser Gedanke war sein Rettungsanker im Sturm und sein Leuchtturm in dem Dunkel, das ihn manchmal zu verschlingen drohte. Er wollte an nichts anderes denken als an seine Eltern und an die Suche nach ihnen– an der Seite seines Bruders, der schönen Kriegerin, in die er sich verliebt hatte, und der anderen Erben.
Gewiss gab es noch ein paar offene Fragen. Woher kam zum Beispiel der unwiderstehliche Drang zu töten, der ihn bei jedem Kampf überfiel? Warum empfand er jedes Mal, wenn er einen Feind erschlug, einen kurzen Moment der Ekstase? Warum wurde er mit jedem Gegner, den er tötete, stärker? Wieso hatte er erst die Gwelome spüren können und jetzt die Bewohner des Tals? Und warum war er als Einziger bei ihrer Ankunft im Tal nicht in einen tiefen Schlaf gefallen? Vielleicht litt er einfach bloß an Verfolgungswahn und an einer überreizten Fantasie. Diese Erklärung war irgendwie tröstlich. Sie gefiel ihm besser, als wenn ein einstiger Gott ihn Sombre nannte und mit kleinen, verschreckten Augen anstarrte!
Zögernd schlenderte Guederic auf Nol zu, dem die anderen soeben aufhalfen. Als er jedoch die halb verhungerte, gebeugte Gestalt des einstigen Wächters des Dara sah, verachtete er sich selbst für seine Gedanken. Wie konnte er einen Menschen fürchten, der sich kaum auf den Beinen halten konnte? Vor diesem zerlumpten, ungewaschenen Tattergreis hatte er Angst gehabt?
Doch seine dunkle Vorahnung war stärker. Er fürchtete Nols Urteil, als wäre er ein Angeklagter, der wegen Massenmords vor einem Volkstribunal stand.
Die Sache sah nicht gut aus. Nol wirkte verwirrt angesichts der jungen Sterblichen, die ihn umringten und stützten. Doch kaum fiel sein Blick auf Guederic, wich er zurück und starrte ihn angsterfüllt an.
Enttäuscht stand der junge Mann mit den Händen in den Taschen da und wartete auf die vernichtenden Worte, die nicht lange auf sich warten lassen konnten. Im Gesicht des Alten zeichnete sich Verständnislosigkeit ab. Er sah sich kurz zum Höhleneingang um und musterte dann wieder Guederic. Zweimal ging sein Blick zwischen dem Tunnel und dem jungen Mann hin und her. Bis auf Souanne, die noch schlief, warteten alle Gefährten mit ernsten Gesichtern auf die ersten Worte aus dem Mund des Hüters.
» Bist… Bist du es?«, brachte dieser schließlich hervor. » Bist du es wirklich?«
Selbst seine Stimme klang jämmerlich. Sie hatte
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